von Barbara Camenzind, 04.08.2022
Auf der Suche nach dem perfekten Klangmoment
Stahlblech mit magischer Wirkung: Manuel Müllers Leidenschaft gilt dem Handpan-Spiel. Seit Juli zeigt er in Arbon, wie das geht. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
Sommer im Hinterhof der Rebhaldenstrasse 7. Mitten im kreativen Sammelsurium des kleinen Kulturvereins, wo Grafiker, bildende Künstlerinnen arbeiten, aber auch an Velos geschraubt wird, hat sich Manuel Müller mit seinen Instrumenten eingemietet.
Wie kleine glänzende UFOs schauen sie aus, der Flash-Gordon-Serie anno 1936 entsprungen, und machen sich gut auf der historischen Truhe. Der 34-Jährige sagt, er fühle sich sehr wohl hier in dieser Gemeinschaft, wo gearbeitet, gelebt und auch einfach mal gehangt wird.
Instrument mit karibisch-schweizerischen Wurzeln
Stichwort Hang. So heisst das Instrument landläufig in der Schweiz, begründet durch die Entwicklung des melodisch-perkussiven Aufschlag-Idiophones der Firma PanArt in Bern. Die korrekte Bezeichnung für Manuel Müllers Instrumente ist Handpan. Als Vorläufer des Handpans kann die karibische Steeldrum bezeichnet werden, die ursprünglich aus dem Deckelblech alter Fässer entstand, aber mit Schlägern gespielt wird und stark obertönig klingt.
Die UFO-Form des Handpans generiert einen Bass, der wie ein Bordun stets auf einen Grundton zurückführt. So gehört, ist das Handpan der Dudelsack der Schlaginstrumente. Die Teiltöne, die dazu gespielt werden können, sind als runde Vertiefungen in das Blech gepresst. So sind die Handpans auch gestimmt.
Je nach Grösse stehen einem Terzen, Quarten, Quinten und Duodezimen zur Verfügung, also ein grosses Spektrum der Obertonmusik, mit acht Tönen. So weit, so Instrumentenkunde: Das Schmiedeerlebnis des Pythagoras liegt dem Handpanspiel in den Händen. Das klingt archaisch schön.
Video: So klingt eine Handpan
Vom Schlagzeuger zum Klangbotschafter
„Vor etwa 12 Jahren war ich an einem Fest, da wurde als Live-Act ein Handpan-Spieler angekündigt. Beim Zuhören hat mich das total reingezogen. Das war es, was ich unbedingt machen wollte“, erzählt der ehemals passionierte Schlagzeuger begeistert. So könne er Rhythmus und Melodien verbinden, Stimmungen erzeugen und die Zuhörenden reinziehen.
Das „Reinziehen in die Musik“ ist in der Tat die grosse Kraft des Instruments, wenn es gekonnt gespielt wird. Allerdings täte man ihm unrecht, es als reines Szene-Instrument abzutun. Manuel, der auch von der Elektronik fasziniert ist, verbindet seine Handpan-Kunst mit Samples und überwindet damit lustvoll die Schubladen der reinen Ambient- oder Electronica-Clubbing-Performances.
Im Hörbeispiel auf Youtube (siehe Video unten) klingt seine Musik elegant, leichtfüssig avantgardistisch. Wenn er einen Wunsch frei hätte für einen Konzertort: Vielleicht in einer grossen Höhle mit vielen Kerzen, das sei aber noch eine schwierige Frage, entgegnet der Musiker, der stets auf der Suche nach dem perfekten Klangmoment ist.
Video: Manuel Müllers Klangexperimente
Leicht in der Hand, schnell gelernt?
Der Selbstversuch überrascht: Das Instrument ist leichter als gedacht und schmiegt sich angenehm in den Schoss. Die tiefen Töne klingen je nach Fingerspannung und Anschlag voller oder zarter. Die hohen Teiltöne sind etwas schwieriger herauszulocken. Fingergelenk oder Fingerkuppe?
Was beim Profi volltönend und differenziert klingt, scherbelt bei der Anfängerin noch recht zaghaft. Dennoch ist es relativ schnell geschafft, so etwas wie eine Melodie zu spielen, immer bezogen auf den Grundton. Und singen dazu kann man auch, wenn man gerne improvisiert.
Fluch und Segen des Instruments
Die schnelle Zugänglichkeit sei Segen und Fluch des Instruments, erklärt Müller. Es sei leicht, sich so ein Instrument im Internet zu bestellen und ihm ein paar Töne herauszulocken. Allerdings sei die Qualität der Instrumente nur durch fachkundige Beratung garantiert und im Unterricht Mensch zu Mensch entfalte sich erst die ganze Kraft.
Im Studio Nawata können Jugendliche und Erwachsene das Handpan-Spiel erlernen. Handpan spielen ist eine gute Möglichkeit, in seine innere Welt einzutauchen, ist Manuel Müller überzeugt. Denn die freundlichen kleinen UFOs sind - im wahrsten Sinne des Wortes - Musikinstrumente nahe am Menschen.
Für weitere Informationen zu Handpan-Kursen und Manuel Müllers Musik: www.nawata.ch
Weitere Beiträge von Barbara Camenzind
- Autonomie und Klangsprache (05.06.2023)
- Chorgesang und Grenzgänge (09.05.2023)
- Brass im Kopf (19.04.2023)
- Jubiläum? Chame mache! (18.04.2023)
- Mit Schalk, Charme und gutem Gedächtnis (07.04.2023)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Musik
Kommt vor in diesen Interessen
- Kulturvermittlung
- Porträt
- Weltmusik
Ähnliche Beiträge
Der Auftakt ist gelungen
Volles Haus in der Weinfelder Komitee-Remise am vergangenen Samstag. Das erste Krabbelkonzert des SMPV Sektion Thurgau wurde ein Erfolg. mehr
Mitkrähen erwünscht
Neues Angebot: In Weinfelden gibt es ab März Konzerte für Kinder von 0 bis 5 Jahren. Die Initiator:innen des Schweizerischen Musikpädagogischen Verbands (SMPV) erklären, was Familien dort erwartet. mehr
Ein Abend voller Stimm-Magie
Die Sängerin Irina Ungureanu gastierte mit ihrer Band Grünes Blatt im Eisenwerk. Ihre groovige Interpretation rumänischer Volksmusik zauberten den Zuhörenden ein Klangfeuerwerk in die Ohren. mehr