von Barbara Camenzind, 26.08.2022
Auszeichnung für eine Aufrichtige
Die Pianistin Simone Keller wurde am Donnerstag mit dem Thurgauer Kulturpreis geehrt. Sie spielt nicht nur ihr Instrument meisterlich, sondern öffnet mit ihrem musikalischen Schaffen Türen. (Lesezeit: 3 Min.)
„Musik ist für mich immer Kommunikation“, dieses schlichte, wie starke Statement Simone Kellers stellte Regierungsrätin Monika Knill an den Anfang ihrer Ansprache an die zahlreich erschienen Gäste. Dass diese Kommunikationsform der diesjährigen Thurgauer Kulturpreisträgerin auch sehr weltumspannend sein kann, erlebte Knill, als sie Keller telefonisch endlich in den USA aufstöberte, um ihr die frohe Botschaft zu übermitteln.
„Musik ist für mich immer Kommunikation“
Simone Keller
„Obwohl Simone Keller auf der internationalen, wie nationalen Bühne daheim ist, ist sie dennoch im Kanton Thurgau sehr präsent“, stellte die Regierungsrätin fest und verwies auf ihre Kindheit auf einem Weinfelder Bauernhof, wie Simone ihn im Interview mit thurgaukultur.ch beschrieb. „Kultur im Thurgau soll allen offenstehen, soll vielseitig sein soll alle Menschen berühren und ansprechen“, stellte Monika Knill fest und verwies darauf, dass der Kanton Thurgau stolz sei, eine Musikerin mit diesem Kulturverständnis als Repräsentantin zu haben. Natürlich sei der Kanton Thurgau ebenfalls stolz, dass Simone Keller dieses Jahr einen Schweizer Kulturpreis zugesprochen bekommt und dass man mit dieser kantonalen Verleihung schon etwas vorpreschen konnte„Musik ist für mich immer Kommunikation".
"Menschen sind keine Projekte"
Laudatorin Theresa Beyer, als Musikjournalistin bei Schweizer Radio SRF 2 eine ausgewiesene Expertin für Zeitgenössische Musik, beschrieb Simone Kellers künstlerisches Schaffen als eine Art Wimmelbild. „Da sind Schlagzeilen aus Zeitungen, Fragezeichen, ganz viele Menschen, noch mehr Klaviere und Synthesizer, es ist warm und bunt und da sind ganz verschiedene Menschen. Und mit allen und allem ist sie irgendwie im Kontakt“. Beyer, die in vielen Pianist:innenbiografien liest, dass deren Eltern bereits Musiker:innen waren, fand in Kellers Kindheit einen berührenden Schlüssel für die pure Neugier, die Unvoreingenommenheit und ihren Antrieb, sich ihrer Sache ganz hinzugeben. Keller weise ausserdem dieses bestechende Mindset auf, dass Musik eine gewisse Dringlichkeit brauche, um nicht unterzugehen, dass Momente des Zweifelns dazugehören, wie auch, dass man etwas durchzieht, in das man sich hineinverbissen hat, auch wenn es noch so viel Ausdauer brauche, wie die Journalistin erklärte.
Beyers Analyse von Simone Kellers musikalischem Schaffen lautete folgerichtig: Simone Keller ist ein Musikmensch. „Wenn Simone Keller spielt, dann trägt ihr Körper die Musik. Und das hört man.“ Das gesellschaftliche Engagement der Preisträgerin verortete die Laudatorin in Projekten auf Augenhöhe. Sei es mit Solos&Sights, ihrem Musikprojekt mit immigrierten Menschen aus der Bodenseeregion und dem Künstlerkollegen San Keller, sei es mit „Music of Cages“, mit rund 80 Thurgauer Jugendlichen, das sie in einem ehemaligen Gefängnis realisierte. „Als ich Simone Keller kennengelernt habe, hat sie bezüglich ihres sozialen Engagements gesagt, Menschen seien keine Projekte. Da sind Menschen. Dass Menschen keine Projekte sind, dieser Satz hat sich mir eingebrannt. Und er offenbart, wie aufrichtig Simone Keller ist bei allem was sie tut, auch wenn das vielleicht ein altmodisches Wort ist. Simone Keller übernimmt Verantwortung.“
Preisträgerin, die sich und anderen treu bleibt
„Ich spiele lieber, als dass sie spreche“, sagte die sichtlich gerührte Preisträgerin nach der Übergabe der Kulturpreis-Urkunde durch Regierungsrätin Monika Knill. Ihr sei es wichtig, dass sie diesen Preis stellvertretend für alle entgegennähme, mit denen sie vernetzt sei. Für ihre Musikerkolleg:innen der verschiedenen Ensembles, ihre gehörlose Bühnenpartnerin, für ihre immigrierten Musiker:innen, für all diejenigen, die nicht so privilegiert seien. Wie ernst es ihr damit ist, anderen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, zeigte sich Simone Kellers Einladung der türkischen Sängerin und Gitarristin Serenat Akkurt und dem syrischen Oud-Künstler Abathar Kmash, der in Damaskus auch Cello studiert hatte. Die beiden Künstler aus dem Projekt Solos& Sights verzauberten den Abend mit Liedern und Klängen aus dem östlichen Mittelmeerraum und Italien. Kmashs Tongirlanden entführten einen sofort in eine andere Welt. Serenat Akkurts biegsame, erdige Stimme, mit der sie in Arbëresh, Sizilianisch und Türkisch sang, traf punktgenau ins Herz. Die beiden Musiker hatten kurzfristig beschlossen, zum Schluss gemeinsam zu spielen. Wenn die diesjährige Verleihung des Thurgauer Kulturpreises dazu führt, dass da zwei eine gemeinsame vielversprechende Karriere starten können, dann ist das ganz sicher im Sinne der Geehrten.
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