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von Lukas G. Dumelin, 05.04.2011

Berlin: Arbeiten für den Aufbruch

Berlin: Arbeiten für den Aufbruch
Die Egnacherin Karin Schwarzbek mit einem ihrer Werke in der Galerie Jordan/Seydoux in Berlin. | © Lukas G. Dumelin

Karin Schwarzbek lebt dank eines Stipendiums der Thurgauer Wirtschaft in Berlin. Mit ihren neuen „Arbeiten auf Papier“ will die Egnacherin neuen Boden betreten.

Lukas G. Dumelin

BERLIN. Am grossen Tag trägt Karin Schwarzbek ein dunkelblaues Kleid mit weissen Punkten. Die Künstlerin aus dem Thurgau schaut durch die grossen Fenster der Galerie Jordan/Seydoux, wo in zwei Stunden die Vernissage ihrer „Arbeiten auf Papier“ ansteht. Die Sonne scheint, Passanten schlendern in T-Shirts vorbei, die Jacken haben sie über die Schultern geworfen oder um die Hüfte gebunden. Der Winter war streng. Doch endlich erwacht der Frühling. Aufbruchstimmung in Berlin.

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„Wir sind ein bisschen ausgewandert“, sagt Karin Schwarzbek. Sie lebt seit November 2010 mit Mann und ihrer zweieinhalbjährigen Tochter in Berlin. Gross war die Freude, als sie erfahren hat, dass eine unabhängige Jury sie und ihre künstlerische Arbeit mit dem Berliner Stipendium der Thurgauer Wirtschaft würdigt. Die Auszeichung wurde vor einigen Jahren vom Thurgauer Nationalrat und Unternehmer Peter Spuhler initiiert. Das Stipendium umfasst 25‘000 Franken als Barbetrag, die kostenlose Benutzung einer Atelierwohnung in Berlin, zwei Ausstellungen und einen Katalog dazu.

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Karin Schwarzbek, 1969 in Egnach zur Welt gekommen, verbrachte bereits Arbeitsaufenthalte in Paris und Wien. Doch erst hier in Berlin, sagt sie, habe es richtig gestimmt. Auch, weil das nächste Umfeld mit dabei war. Entstanden sind aufs Wesentliche reduzierte Weiterentwicklungen figürlicher Studien weiblicher Torsi, verschwimmende Flächen, ein paar Striche, ein Ohr vielleicht, zwei schwarze Punkte, ein Augenpaar. Für den Schaffhauser Kurator Markus Stegmann ist Karin Schwarzbek damit „konsequent einen Schritt weiter“ gegangen, schreibt er im Katalog. Die Verletzlichkeit des Körpers zeige sich noch stärker, die Körperlichkeit wird entmaterialisiert, so weit, bis der Betrachter „frei und schwerelos in einem offenen Bildall“ schwebe.

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In der Galerie haben sich unterdessen die Gäste eingefunden. Alex Bänninger, Geschäftsführer des Berliner Stipendiums, begrüsst Mäzene aus der Thurgauer Wirtschaft wie die Ehepaare Zecchinel und Mühlemann, Journalisten, Galeristen, ein Jurymitglied, eine Botschaftsrätin, die Gestalterin des Katalogs und Jon Etter, den ersten Träger des Stipendiums. Die meisten kommen aus dem Thurgau – und treffen sich nun in der Stadt der sicht- und fühlbaren Geschichte, der Künstler und Studenten, der brachliegenden Möglichkeiten und günstigen Mieten, der Träume und Freiräume – in diesem Berlin, das über Jahre hinweg mit Aufbruchstimmung gleichgesetzt wurde.

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Im Mittelpunkt stehen in der Galerie in Berlin-Mitte nun Karin Schwarzbek und ihre Arbeiten. Markus Landert, der Direktor des Kunstmuseums Thurgau, spricht in seiner Laudatio davon, dass Karin Schwarzbek, der Homöpathie gleich, gewohnte Motive bis zur Unkenntlichkeit verdünne und auf diesem Weg die „Auflösung der Sicherheit des Sehens“ herbeiführe. Publizist Alex Bänninger, der die Bilder an der Vernissage erstmals sieht, kommt ein Begriff spontan in den Sinn: „Minimalistisch“. Und Fotograf Jon Etter fühlt sich an „Röntgenbilder“ erinnert: Die Bilder würden sich von der Malerei entfernen, sie seien mehr als nur das Resultat von Pinselstrichen.
Karin Schwarzbek relativiert manche Interpretation. „Für mich sind die Bilder noch ganz konkret“, sagt sie, auch wenn die Arbeiten über gewisse „Luftigkeit“ verfügen würden. Doch von Aufbruch träumt auch sie: Sie hofft, mit den neuen Werken in der figürlichen Malerei einen Weg gefunden zu haben und neuen Boden zu betreten. Mit Kunst, die nicht von ihrer eigenen Biographie durchtränkt ist, keine Behauptungen aufstellt und prägnante Statements abgibt.

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Karin Schwarzbeks «Arbeiten auf Papier» werden bis am 27. April in der Galerie Jordan/Seydoux (Auguststrasse 22, Berlin-Mitte) gezeigt. Ab Juni sind sie im Kunstmuseum Thurgau zu sehen.

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