von Barbara Camenzind, 18.02.2019
Der mit dem grauen Zylinder knutscht
David Lang präsentierte am Freitagabend im Eisenwerk Frauenfeld seine neue CD „Kutscher“. Der Thurgauer Barde widerlegte an diesem Abend ein hartnäckiges Vorurteil: Remakes der eigenen Lieder müssen nicht zwangsläufig schlechter sein, im Gegenteil: Wenn Lang zu Lang singt, ist das wunderschön. Und technisch geschmackvoll arrangiert.
Wer mit Loops und Tonspuren arbeitet, begibt sich auf heikles Terrain. Schnell werden die Files zu wuchtig, die vervielfältigte eigene Stimme versinkt im Bombast. David Lang kennt die Kunst der Dosierung und wendet sie auch an. Und schlug damit im ersten Set des Freitagabends einen grossen Pflock ein. „Heimat“ erklang mit dem feinen Chorarrangement wie neu gehört. Mit Verlaub: Wann wird dieses Lied zur neuen Thurgauer Hymne erkoren? Der begabte Musiker hat doch dem Leuenkanton den schönsten „Süüder“ - seit Patent Ochsners Berner Hymne „W. Nuss vo Bümpliz“ - geschrieben. In Sachen Schönheit, Herzblut und Melodieführung besser als das Meiste, was in der Ostschweiz so als Wiedererkennungsmelodie herumgeistert. Die St. Galler würden platzen vor Neid, wüssten sie von diesem Song.
Wunderschön besang Lang auch die „Beiz“ - ein Ostschweizer Relikt, das wohl bald gentrifiziert, ausgestorben und „uustrunke isch.“ Inklusive Chipspäckli, Brauereibuffet und dem unvermeidlichen Aromat. Wehmütig wurde es einem da ums Herz. Der freche , präpotente „Löwe im Salon“, eines von Langs pianistisch anspruchsvolleren Liedern (zwischen Ragtime und Blues), glaubte man dem Sänger sofort: Der Bar-Pianist in ihm trug rote Socken.
Begeisternde neue Lieder
Die Rezensentin hat zwei Titel als neue David-Lang Favoriten erkürt: „Schiffe fahren“ als A-Capella- Stück und „Kutscher“. Was ist schöner, als wenn ein Tenor singt? Wenn dies im Ensemble geschieht - in diesem Fall im Chor mit sich selber. Das feinsinnige „Schiffs-Arrangement“ stand ganz in der Tradition des Männergesangs des 19. Jahrhunderts. Franz Schubert und Richard Wagner hätten an der Komposition ihre helle Freude gehabt. David Lang hat stimmlich einen Quantensprung vollzogen. Der Spieltenor mit knackigem Parlando entwickelte sich mit diesem neuen Programm zum lyrischen Helden, der mühelos die hohen und tiefen Lagen miteinander verband. Eine „Winterreise“ wäre für den begabten Sänger absolut kein Problem, sowie auch Mozarts tragischer Held „Don Ottavio“. Wäre.
David Lang hat sich bewusst entschieden, eigene Wege zu gehen, jenseits des Klassikbetriebs. Angesichts der Widrigkeiten in diesem Berufsfeld ist das auch verständlich. Sehr cool, dass er seine Stimme in seinen Liedern so gut führt. Das Lied „Kutscher“ war denn auch so etwas wie eine Art Bekenntnis für dieses Eigene: Wer -nach der Achenbach’schen Anspannungslehre - mit grauem Zylinder Kutsche fährt, hat die eigenen Rösser an der Deichsel. David Lang unternimmt als „Thurgauer Kutscher“ poetische, unterhaltsame Melodietouren. Es lohnt sich sehr, mit ihm mitzureisen. Immer - und immer wieder.
Weitere Konzerte: Im Thurgau ist David Lang an folgenden Termine zu sehen: 23. Februar, Kulturforum Amriswil; 2. März, Rathaus Weinfelden sowie am 20. März, Aula der Pädagogischen Mittelschule Kreuzlingen. Alle weiteren Termine seiner Tournee gibt es hier im Überblick
Reinhören: David Lang "Kutscher"
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