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14.01.2021

«Ich geniesse das sehr»

«Ich geniesse das sehr»
Geht mit ihrem Klavier auch an ungewöhnliche Orte: Die Musikerin Simone Keller. | © Chris Müller

#meinerstesmal: In einer neuen Serie erzählen Kulturschaffende von ihren ersten Bühnenerlebnissen. Wie sie sie prägten und was sie daraus lernten. Zum Auftakt: Die Pianistin Simone Keller. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)

Mein allererster Bühnenauftritt – tja, wann war der eigentlich? Wo war das und was habe ich da gespielt?

Ich unterhalte mich mit einer Freundin darüber, die noch ganz genau weiss, wie sie zum ersten Mal nervös und zitternd mit der Geige vor ein Publikum getreten ist. Es ist mir etwas peinlich, aber ich kann mich überhaupt nicht mehr daran erinnern, wie das bei mir war.

„Die Musik war für mich eine eigene Welt, in der ich meine Sprache gefunden hatte, in der ich mich angstfrei ausdrücken konnte.“

Simone Keller, Pianistin

Ich war als Kind sehr schüchtern und habe nur mit ganz leiser Stimme gesprochen, meistens habe ich einfach geschwiegen.

Die Musik war für mich eine eigene Welt, in der ich meine Sprache gefunden hatte, in der ich mich angstfrei ausdrücken konnte, weshalb ich das auch gerne vor Publikum getan habe. Ganz offensichtlich war der allererste Auftritt nicht so wichtig für mich, dass er mir im Gedächtnis geblieben wäre.

Die Künstlerin und ihr Instrument: Simone Keller. Bild: Lisa Jenny

Das erste Mal im Wiener Konzerthaus

Es gehörte für mich immer schon ganz selbstverständlich dazu, dass ich die Stücke, die ich gerade übte, irgendwann mit einer Zuhörerschaft teilte und ich erlebe auch heute noch diesen Moment immer wieder aufs Neue intensiv – wenn ich offene Ohren vorfinde und „meine“ Musik sprechen lassen darf, geniesse ich das sehr.

Im November durfte ich mein „Debüt“ im Grossen Saal des Wiener Konzerthauses spielen, in einer der bedeutendsten Institutionen des internationalen Konzertlebens, also selbstverständlich ein grosser Moment für mich.

Was unsere Erinnerungen prägt

Der Abend wird mir aber nicht nur deshalb in Erinnerung bleiben, weil ich stundenlang als Solistin im Rampenlicht stehen durfte, sondern auch, weil an diesem Tag in Österreich der Lockdown ausgerufen wurde und in den Gassen, in denen ich nach dem Konzert einen Schnaps getrunken habe, nur 24 Stunden später ein Terroranschlag verübt wurde.

Es ist wohl immer eine Verbindung ganz unterschiedlicher Ereignisse und emotionaler Zustände, die unsere Erinnerungen prägen.

Mehr Platz für unkonventionelle Beiträge

Seit einigen Jahren engagiere ich mich in der Fachkommission des Schweizerischen Jugendmusikwettbewerbes und leite dort seit einem Jahr eine Arbeitsgruppe, die ein offeneres Format innerhalb des sehr kompetitiven Rahmens lancieren möchte.

Wir werden nun nächstes Jahr tatsächlich zum ersten Mal den sogenannten „Free Space“ anbieten, in dem sich junge Musiker*innen freier zwischen den stilistischen Grenzen bewegen können und auch unkonventionelle Beiträge eine Bühne bekommen sollen.

Der Druck unserer Leistungsgesellschaft

Vielleicht kann das ein Beitrag dazu sein, damit die nächste Generation sich später gerne an ihre musikalischen „Debüts“ zurück erinnert und nicht unter dem Druck unserer Leistungsgesellschaft einen von Angst geprägten ersten Auftritt in Erinnerung behält.

 

Die Serie #meinerstesmal

Dinge zum ersten Mal zu tun, ist immer etwas Besonderes. Der erste Schultag, der erste Kuss, die erste eigene Wohnung - fast jeder kann sich an diese ersten Male erinnern. Bei Kulturschaffenden ist so ein besonderer Moment - das Debüt. Oder das erste Mal vor Publikum stehen. Genau dieses Gefühl wollen wir mit der neuen Serie einfangen.

 

Was treibt diese Menschen an? Wie fängt man so was an? Und wie fühlt sich das an, wenn man mit einem künstlerischen Debüt, ganz gleicher welcher Sparte, vor ein Publikum tritt? Wenn man gewissermassen über sein eigenes Leben hinaus und in das Leben der anderen hinein tritt? Man plötzlich öffentlich wahrnehmbar wird, sich zeigt und, nun ja, heraus ragt?


Jeder kann mitmachen: Möchtest Du uns auch Deine Geschichte von Deinem ersten Mal erzählen? Dann mach das doch! Das Format ist aber offen für jeden Künstler: Wer seine Geschichte mit uns teilen möchte, schreibt einfach eine Mail mit seinem Text (auch Video- und Audiodateien sind möglich) an unsere Mailadresse: michael.luenstroth@thurgaukultur.ch Wir sammeln alle Beiträge in einem Themendossier. Das findet ihr hier.

 



 

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