22.12.2017
Zukunftssorgen zum Jubiläum
Die Gesellschaft für Musik und Literatur ist immer noch eine der Stützen des Kreuzlinger Kulturlebens. Doch ausgerechnet kurz vor dem 100. Geburtstag plagen den Verein Sorgen: Die Zahl der Mitglieder schrumpft stetig
Am Anfang stand der Mangel. Als der Erste Weltkrieg rund um die Schweiz tobte, da sorgten sich einige Kreuzlinger Bürger auch um ihre kulturelle Grundversorgung. „Ein Stacheldraht längs der Grenze erinnerte daran, dass es (Kreuzlingen, d. Red.) zur Schweiz gehörte, seine verkehrstechnische Lage isolierte es auch vom schweizerischen Gebiet. Eine Fahrt nach Zürich dauerte drei bis vier Stunden, St. Gallen war auch schwer erreichbar, und Konstanz blieb verschlossen. Kreuzlinger, die gewohnt waren, in Konstanz Theater oder Konzerte zu besuchen, mussten darauf verzichten. So kam man auf den Gedanken, eine Gesellschaft zu gründen, die diese Lücke einigermassen ausfüllen sollte.“ Das war die Geburtsstunde der Gesellschaft für Kunst und Literatur Kreuzlingen, heute besser bekannt als Gesellschaft für Musik und Literatur (GML).
Nachlesen kann man das alles in einer kleinen Broschüre (Text: Margret Meier-Ammann), die die GML zum Anlass ihres 100. Geburtstags herausgegeben hat. Am 18.Oktober 1917 wurde die Gesellschaft gegründet. Am 15. Februar 2018 feiert die GLM das Jubiläum mit einem grossen Festakt im Dreispitz. Die Südwestdeutsche Philharmonie spielt dann unter anderem Tschaikowsky und Rachmaninoff. Und das nicht nur, weil die Musiker im nahen Konstanz Zuhause sind, sondern weil Gesellschaft und Orchester mehr verbindet. 1932 wurde der Klangkörper, der damals noch Bodensee-Sinfonie-Orchester hiess, gegründet - auf Initiative der Kreuzlinger GML, wie Margret Meier-Ammann in ihrem Jubiläumsbericht schreibt. Der Austausch überdauerte die Jahrzehnte, das Verhältnis zwischen dem deutschen Orchester und der Schweizer GML blieb vertraut.
Lange fehlte ein geeigneter Ort für Konzerte
Heute ist die GML immer noch eine der Stützen des Kreuzlinger Kulturlebens. Im Jahr veranstaltet sie etwa acht Konzerte und musikalische Lesungen, vor allem die Sommerserenaden sind beim Publikum beliebt. Jörg Engeli ist seit 2003 Präsident der Gesellschaft und kümmert sich mit seinen Mitstreitern darum, regelmässig ein anspruchsvolles klassisches Konzertprogramm auf die Beine zu stellen. Lange fehlte ein geeigneter Ort dafür. Der Löwensaal (den es heute nicht mehr gibt) war gerade in den Anfängen der GML in einem schlechten Zustand, trotzdem wurde hier gespielt. Mit der Zeit gab es auch Veranstaltungen in Kirchen der Stadt. „Heute gibt es mit dem Refektorium an der Pädagogischen Mauritätsschule (PMS) und dem Dreispitz ordentliche Orte für unsere Konzerte“, sagt Engeli.
Schon vor seiner Zeit als Präsident hat ihn viel mit der GML verbunden. „Von 1957 bis 1962 war ich Schüler am Lehrerseminar und habe noch im alten Löwensaal die ersten Konzerte der Gesellschaft gehört.“ Er kam damals aus Romanshorn und kehrte auch nach seinem Studium wieder zurück nach Kreuzlingen. Von 1967 bis 2007 war er 40 Jahre lang Musiklehrer am Seminar in Kreuzlingen. In der Zeit sei er dann irgendwann gefragt worden, ob er nicht mithelfen wolle im Vorstand der Gesellschaft. Er wollte. Erst als Vorstandsmitglied, seit 2003 dann als Präsident. Eine der grössten Herausforderungen vor denen er steht - den Mitgliederschwund stoppen und junge Menschen für die GML gewinnen. Aktuell hat die Gesellschaft noch rund 150 Mitglieder, „das ist in den vergangenen Jahren aber stetig weniger geworden“, sagt Engeli. Das Durchschnittsalter liegt bei 60plus. Man habe immer versucht, die Jungen über die Schule zu erreichen. Das funktioniere aber auch nicht mehr so richtig gut. Jedenfalls nicht so, dass die Existenz der GML dadurch gesichert werden könnte. Schliesslich sind die Mitgliedsbeiträge eine Säule der Finanzierung des Vereins. Zwei andere sind die Einnahmen aus den Konzerten sowie eine Leistungsvereinbarung mit der Stadt. Mit 25 000 Franken im Jahr unterstützt die Stadt die Projekte der GML.
Bringen Kinder- und Jugendkonzerte die Wende?
Was es jetzt braucht, sind neue Ideen. Am Programm selbst will Engeli nicht rütteln, der Fokus soll weiter auf klassischen Konzerten bleiben. „Wir denken über spezielle Kinder- und Jugendkonzerte nach“, sagt der Präsident. Beispielhaft nennt er die eduArt-Reihe der Südwestdeutschen Philharmonie. Hier werden Kinder spielerisch an klassische Musik herangeführt. Jörg Engeli weiss, dass das eine grosse Herausforderung für die GML ist. Ob sie sie stemmen kann? „Ich bin eigentlich zuversichtlich“, sagt er. Und wenn er doch mal zweifelt, setzt er sich einfach in ein Konzert und erfreut sich an der Kunst: „Wenn ein Konzert musikalisch gut gelaufen ist, dann ist das für mich die grösste Freude.“
Das Programm der GML im Jubiläumsjahr
Sonntag, 7. Januar 2018, 17 Uhr | Refektorium PMS
Neujahrskonzert „Musique en route“
Donnerstag, 15.Februar 2018, 18:30/20 Uhr | Kulturzentrum Dreispitz
Festakt 100 Jahre GML
Südwestdeutsche Philharmonie / Sooyoung Yoon
Samstag, 24.März 2018, 19:30 Uhr | Refektorium PMS (Klostergebäude)
Abonnementskonzert
Trio Bleu – Flöte, Viola & Harfe
Samstag, 28. April 2018, 19:30 Uhr | Aula PMS (Campus Aula)
Preisträgerkonzert
Nachwuchskünstler der Region
Freitag, 18.Mai 2018, 20 Uhr | Aula PMS (Campus Aula)
Abonnementskonzert
Gershwin Piano Quartet
Sonntag, 17.Juni 2018, 19:30 Uhr | Aula PMS (Campus Aula)
Serenade
Jugendorchester „Il Mosaico“
Herbst 2018 | Refektorium PMS (Klostergebäude)
„Der Kreuzlinger Mozart - Johann Anton Sulzer (1752 - 1828)“ Literarisch-musikalisches Programm. Es erklingen Werke von Sulzer und seinen Zeitge- nossen: Rousseau, Haydn, Naumann, Leopold Mozart und anderen. GML-Vereinsmitglied Hilmar Lippert moderiert den von ihm konzipierten Anlass mit Musikern der Region.
Tickets: Abonnement für 5 Konzerte 100 Franken (Sonderpreis 100 Jahre GML) Einzeleintritte zwischen 30 und 40 Franken im Vorverkauf bei Kreuzlingen Tourismus, Hauptstrasse 39, 071 672 38 40
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