von Brigitta Hochuli, 05.06.2016
Marianne Sax - auf zu neuen Ufern
Marianne Sax ist am 30. Mai nach acht Jahren tournusgemäss vom Präsidium des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands (sbvv) zurückgetreten. Es ist - unter anderem politisch - weiterhin mit ihr zu rechnen!
Interview: Brigitta Hochuli
Frau Sax, in acht Jahren an der Spitze eines Verbandes mit 500 organisierten Mitgliedern gewöhnt man sich möglicherweise an das Rampenlicht. Wie geht es Ihnen nach den ersten Tagen ohne diese öffentliche Bühne?
Gerade im Moment kann ich mich über mangelndes Rampenlicht nicht beklagen. Verschiedene Medien berichten sehr ausführlich über meinen Abgang und die Übergabe des sbvv-Präsidiums.
Es handelt sich um Verlagsleiter Thomas Kramer. Sie schrieben auf Facebook an seine Adresse: „Ich habe einen klugen Nachfolger, der weiss, wie toll unsere Branche ist“. Wie toll ist Ihre Branche?
Die Buchbranche ist ein Spiegel der Gesellschaft. Auf interntationaler Ebene findet ein konstruktiver Austausch statt, der von gegenseitigem Interesse geprägt ist. In vielen Ländern sind Verleger und Buchhändlerinnen unter Druck, weil sie der Willkür von Zensurbehörden ausgeliefert sind. Das Buch ist ein kostbarer Speicher des Wissens der Welt, und die Leute, die Bücher machen, legen sich oft unglaublich für ihre Publikationen ins Zeug. Es gibt in der Branche wenig Geld, aber viel Überzeugung, Mut und künstlerische Gestaltungskraft.
Sie mussten das Verbandsschiff durch raue Winde steuern. Den Kampf für das Gesetz für die Buchpreisbindung haben Sie vor vier Jahren aber verloren. Belastet sie dieser Volksentscheid heute als Buchhändlerin?
Über die Buchpreisbindung mag ich eigentlich nicht mehr reden. Sie ist seit fast zehn Jahren Geschichte, denn sie war schon 2007 verboten worden. Die Debatte hat mich schon genügend Lebenszeit gekostet.
Nun ist seither das Problem der Frankenstärke als Erschwernis für den Handel hinzugekommen. Wie ist es zu bewältigen?
Wir haben in der Buchhandlung die Preise schon im Frühjahr 2015 gesenkt, aber leider hat das kaum jemand bemerkt. Wer in Konstanz sein EU-Poulet kauft, wird auch das passende Kochbuch gleich im „Lago“ einkaufen - der Preis spielt da gar keine so grosse Rolle. Virulent ist das Thema für die Verlage wegen der hohen Schweizer Löhne und Fixkosten. Ein Schweizer Verlag zahlt seiner Putzfrau etwa gleich viel wie der Deutsche Verlag seiner Lektorin. Es hat keinen Sinn zu jammern. Wir hoffen auf bessere Zeiten für den Euro.
Sie führen Ihren Bücherladen Marianne Sax in Frauenfeld seit 26 Jahren. Hat sich eigentlich die Wertschätzung des Buches in dieser langen Zeitspanne verändert?
Heute bemerken es viele Leute, wenn ein Buch besonders schön gestaltet wurde. Das Wort „Haptik“ gibt es ja im Zusammenhang mit Büchern erst, seit es E-Books gibt. Ich bin davon überzeugt, dass Bücher ein kostbares Gut sein sollten, denen man das auch ansieht. Taschenbücher und E-Books haben ihren Platz, aber das leise Knacken beim erstmaligen Öffnen eines neuen Buches, der raue Griff des Leinenumschlags, das müde Einlegen des Lesebandes vor dem Einschlafen sind doch unersetzliche Dinge.
Neu werden vom Bund im Rahmen der Kulturbotschaft die ersten Verlage mit insgesamt 1,85 Millionen Franken untertützt. Welchen Anteil hatte der sbvv an dieser doch erfreulichen Förderung?
Die Verlagsförderung war Gegenstand vieler Verhandlungen und Gespräche zwischen dem sbvv und dem Bundesamt für Kultur. Beteiligt waren auch die Verbände aus der Romandie und dem Tessin. Seit Alain Berset und Isabelle Chassot das BAK leiten, hat das Thema Fahrt aufgenommen. Die ersten Auszahlungen werden im Herbst dieses Jahres vorgenommen, das ist ein Lichtblick für die Verlage.
Frau Sax, Ihre Aktivitäten kann man immer wieder auf Facebook verfolgen. Zum Beispiel haben Sie als Verbandspräsidentin die Schweiz an der Leipziger Buchmesse 2014 vertreten. War das einer der Höhepunkte Ihrer Verbandsleitung oder einfach Courant normal?
Der „Auftritt Schweiz“ war vermutlich der grösste Schweizer Kulturanlass im Ausland seit dem Gastlandauftritt in Frankfurt 1991 - und das zu einem Bruchteil der damaligen Kosten. Es gab eine riesige mediale Resonanz in Deutschland. Tagesschau und Tagesthemen, FAZ und ZEIT berichteten ausführlich, der MDR täglich. Die Schweizer Literaturszene, aber auch die offizielle Schweiz profitierten vom gelungenen Auftritt - was nach dem diplomatischen Desaster, das durch die angenommene Masseneinwanderungsinitiative kurz zuvor entstanden war, bitter nötig war. Auch in der Schweiz war die Berichterstattung über den Auftritt Schweiz von positiven Superlativen begleitet. Wir konnten mehrere Bundesordner mit Zeitungsausschnitten füllen.
Sie sagten in einem Interview mit Ihrem Branchenblatt, Sie hätten neben dem Betreiben Ihrer Buchhandlung viele tolle Projekte. Das Bücherfest #frauenfeldliest ist vorbei - was kommt als nächstes? Oder werden Sie sich neben Ihrer Tätigkeit als Buchhändlerin ab Herbst voll auf Ihr neu errungenes SP-Mandat im Thurgauer Kantonsrat konzentrieren?
Das Mandat im Grossen Rat ist ein Projekt, das viel Zeit und Energie kosten dürfte. Kulturelle Initiativen sind von mir auch in Zukunft zu erwarten, aber ich werde es auch geniessen, etwas mehr freie Zeit als bisher zu haben.
Im Kantonsrat gab es ja immer wieder Versuche, eine effektive, parteienübergreifende Kulturlobby mit sachverständigen Politikerinnen und Politikern zu etablieren. Das wäre zurzeit nötiger denn je, denken wir nur an die Vorstösse rund um das Kunstmuseum oder gegen die Kulturstiftung des Kantons. Werden Sie sich zum Beispiel mit der neuen FDP-Kantonsrätin Cornelia Zecchinel verbünden, die ebenfalls mit einem Kulturanspruch zur Wahl angetreten war? Darf man hoffen?
Auf jeden Fall! Ich verfolge das kulturelle Geschehen im Kanton mit Interesse und hatte mit Cornelia Zecchinel schon in verschiedenen Zusammenhängen Kontakt. Ich war vor 24 Jahren im Grossen Rat und damals in der Kommission für das Kulturförderungsgesetz. Ich hoffe, meine Erfahrungen gerade auch mit kulturellen Grossanlässen in die politische Arbeit einfliessen lassen zu können.
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Interview mit Radio Regionaljournal Ostschweiz
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