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Das unbekannte Wesen

Das unbekannte Wesen
Kulturpolitik war im Thurgau lange ein grosses Fragezeichen. Vielleicht ändert sich das jetzt ein bisschen. | © Canva

Es ist gut, dass sich die IG Kultur Ost in den kulturpolitischen Diskurs im Thurgau einmischt. Das Kulturranking zur Grossratswahl hat Schwächen, zeigt aber auf, wo die Probleme liegen.

Lange war es im Thurgau so: Über Kultur wurde öffentlich nicht gross diskutiert. Über Kulturpolitik schon gleich gar nicht. „Alles schön und gut mit dem Kulturgedöns, aber letztlich irrelevant, es gibt Wichtigeres“, lautete die prägende Haltung dahinter. Könnte sein, dass sich das jetzt ändert. Mit der IG Kultur Ost ist ein neuer, selbstbewusster Akteur auf die Bühne gekommen, der sich traut öffentlich über kulturpolitische Fragen nachzudenken und bisweilen auch keine Scheu vor plakativen Initiativen hat.

Dies zeigt das so genannte Kulturranking, das die IG zur Grossratswahl am 15. März veröffentlicht hat. Auf der Basis eines Fragenkatalogs wurde die Kulturfreundlichkeit der Kandidierenden und der verschiedenen Fraktionen getestet. An der Befragung kann man tatsächlich manches kritisieren. Zum Beispiel, dass sie wenig Aussagekraft hat, wenn insgesamt lediglich 15 Prozent der Kandidierenden (151 von 988) teilgenommen haben und von neun zur Wahl stehenden Parteien überhaupt nur fünf geantwortet haben.

Auf diese Zuspitzung hätte die IG besser verzichtet

Oder, dass es unseriös ist Zahlen zu vergleichen, die man nicht vergleichen kann. Die Kulturfreundlichkeit-Quote auf die Fraktionen hochzurechnen, obwohl die Zahl der Teilnehmer je nach politischer Gruppierung sehr unterschiedlich war (zwischen 7 und 53 Prozent), ist statistischer Unfug. Auch wenn die IG in ihren Publikationen und Grafiken auf das Problem hinweist - es wäre besser gewesen, auf diese Zuspitzung zu verzichten. Um der eigenen Seriosität Willen. 

Darüber hinaus ist die Kritik an der IG Kultur Ost allerdings ein bisschen naiv. Die IG versteht sich als Lobby für die Kultur, wenn sie auch dementsprechend agiert, sollte sich darüber eigentlich niemand wundern: Lobbyisten Lobbyarbeit vorzuwerfen wäre jedenfalls ziemlich schräg. Und ganz ehrlich: Vielleicht ist es ja auch ganz gut, wenn die bittstellerische Samtpfötigkeit mit der die Kultur bisweilen um die Politik (und deren Geldtöpfe) schleicht, mal ein Ende hat. Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein stünde den Thurgauer Kulturschaffenden gut zu Gesicht. 

Zudem: Wenn Politikerinnen und Politiker verschiedener Couleur die Befragung nun als tendenziös kritisieren, muss man doch mal darauf hinweisen, dass jeder Kandidat, jede Kandidatin die Chance hatte, teilzunehmen. „Wir haben alle Parteisekretariate angeschrieben mit der Bitte, den Link zu der Online-Befragung an ihre Kandidierenden weiterzuleiten. Offenbar haben es einige aber nicht gemacht, der Fehler liegt dann aber nicht bei uns“, erklärt Johannes Rickli, Vorstandsmitglied der IG Kultur Ost, auf Nachfrage. 

Es mangelt noch immer am grundsätzlichen Interesse

Auch an einer zu kurzen Rückmelde-Zeit könne die geringe Teilnahme-Quote nicht gelegen haben: Laut IG hatten die Kandidaten und Kandidatinnen insgesamt drei Wochen Zeit, um die Fragen (siehe dazu Infokasten am Ende des Textes) der IG zu beantworten. „Wer es in dieser Zeit nicht schafft, dem fehlt wohl ein grundsätzliches Interesse“, folgert Johannes Rickli nicht ganz zu Unrecht.

Genau da ist man dann am Kern des Problems angelangt. Es mangelt noch immer im Interesse an Kultur und Kulturpolitik. Die Potenziale von gestaltender Kulturpolitik werden nach wie vor nicht gesehen. Nicht mal, welch prägende Rolle die Kultur in einem auf der Suche nach Identität befindlichen Kanton wie dem Thurgau spielen müsste. Und da ist es dann irgendwann wieder so wie früher in der Schule: Wer sich für ein Thema nicht interessiert und engagiert, kann keine gute Leistung bringen. Das nochmal deutlich gemacht zu haben, ist vielleicht das grösste Verdienst der Befragung der IG Kultur Ost.

 

Fragen, die die IG Kultur Ost gestellt hat

1. Sind Sie der Meinung, Kulturförderung sei eine Staatsaufgabe?

2. 2018 hat der Kanton Thurgau etwa 0,5 Prozent des Hausgaltes für Kultur ausgegeben. Wie schätzen Sie diesen Beitrag ein?

3. Wären Sie dafür, ein kantonales und kommunales Kulturprozent einzuführen?

4. Wiederkehrende Beiträge an Kulturinstitutionen werden zu einem wesentlichen Teil für Löhne von Mitarbeitenden aufgewendet. Passen sich die Beiträge nicht der Lohnteuerung an, bedeutet dies stagnierende Löhne. Befürworten Sie die Idee, wiederkehrende Subventionen an die Lohnteuerung zu koppeln?

5. Viele Künstler, Musikerinnen, Schauspieler leben in prekären Verhältnissen. Finden Sie, dass der Kanton oder der Bund Massnahmen gegen diese Situation ergreifen soll?

6. Kulturschaffende leben oft von einer gemischten Berufstätigkeit, teils angestellt, teils freischaffend. Unser Sozialversicherungsrecht weist viele Lücken auf, die Kulturschaffende benachteiligen. Unterstützen Sie Bestrebungen, diese Lücken zu schliessen?

7. Bei Gemeinden, Kantonen und beim Bund wird über Massnahmen diskutiert, um die kulturelle Teilhabe zu verbessern, das heisst möglichst allen Bevölkerungsgruppen niederschweflig Zugang zur Kultur zu ermöglichen. Finden Sie solche Massnahmen zur Verbesserung der Teilhabe nötig?

8. Bräuchte ihr Kanton eigene kulturelle Ausbildungsstätten (Hochschule der Künste, Fachhochschule für Musik, für Design, Darstellende Künste o.ä.), um der Abwanderung kreativer Köpfe entgegenzuwirken?

9. Im Rahmen der neuen Thurgauer Museumsstrategie sind unter anderem eine Erweiterung des Kunstmuseums in Ittingen und ein Neubau des Historischen Museums am Bahnhof Frauenfeld im Gespräch. Unterstützen Sie diese Ausbaupläne?

10. Mit Konstanz hat der Kanton Thurgau eine Kulturmetropole quasi „vor der Haustür“. Wären Sie dafür, die Kultur-Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinweg zu verstärken?

 

Zur Methode der Befragung: „Zu Beginn der Umfrage starten alle Kandidierenden mit 50 Prozentpunkten. Anschliessend gibt es pro Antwort Punkte dazu oder es werden Punkte abgezogen. Für eine der Frage zustimmende Antwort (ja oder eher ja) gibt es 5 oder 2.5 Prozentpunkte. Für nein oder eher nein werden 5, bzw. 2.5 Prozentpunkte abgezogen. Werden alle Fragen mit ja beantwortet gibt es somit 100 % und wenn alle mit nein beantwortet werden 0 %“, schreibt die IG Kultur Ost auf der Internetseite des Kulturrankings.  

 

Die vollständigen Resultate mit allen Personen und Antworten, auswählbar nach Parteien, Wahlkreisen, etc, sind zu finden auf www.wahlen-tg.ig-kultur-ost.ch  

 

 

 

 

 

 

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