von Andrin Uetz, 24.05.2023
Die stille Dringlichkeit der Filmkamera
Der Romanshorner Regisseur Fabian Kimoto ist über Umwege beim Film gelandet. Für seine sensible wie dynamische Kameraführung erhält er nun einen der Förderbeiträge des Kantons Thurgau. (Lesedauer. ca. 4 Minuten)
„Da muss ich kurz hallo sagen”, entschuldigt sich Fabian Kimoto (*1982) beim Gespräch in einem Romanshorner Café am Hafen. Die Frühlingssonne lockt Spaziergänger:innen an den See, darunter auch alte Bekannte aus der Region.
Fabian Kimoto ist in Romanshorn aufgewachsen und lebt auch heute noch in der beschaulichen Kleinstadt am Bodensee, obschon er durch seine Arbeit als Kameramann in der ganzen Welt unterwegs ist. Wer nun aber einen gestressten Jet-Setter erwartet, liegt falsch. Ruhig und bedächtig erzählt er von seiner Faszination fürs bewegte Bild.
Film als Alternative zur Beredsamkeit
Fabian Kimoto wächst in einer Familie auf, in der Musik und Kreativität einen hohen Stellenwert haben. Der Vater Dai Kimoto ist autodidaktischer Jazzmusiker und leitet die Bigband Swing Kids, die Mutter arbeitet als Handarbeitslehrerin. Sein Bruder Benny Kimoto gehört zu den besten B-Boys der Welt, und auch seine Schwester Julia Kimoto sowie Fabian selbst sind seit Ende der 1990er Jahre passionierte Breakdancer:innen.
Schon früh stellt Fabian fest, dass er weniger redet als andere Kinder. Als er mit 14 Jahren den Film “Leon” von Luc Besson sieht, faszinierte ihn die Sprache der bewegten Bilder sosehr, dass er für sich entscheidet selbst Filme machen zu wollen. Er ahnt, dass er mit der Kamera etwas ausdrücken kann, was er mit Worten nicht zu erzählen vermag.
Video: Ausschnitt aus der Doku “Swing it Kids” (2016)
Die strenge Schule der Praxis
Ohne Matura rät ihm der Berufsberater vorerst eine Lehre als Elektroniker abzuschliessen. Dank einem Praktikum in einem Labor, welches sich auf die Abtastung von Film spezialisiert, sichtet er nicht nur tagtäglich bestes Filmmaterial, sondern kann auch Kontakte in die Filmbranche knüpfen.
„Bis 2009 wurden alle Kinofilme noch auf echten Film gedreht, und dann in einem aufwändigen Verfahren digitalisiert. Das war fast schon Alchemie, eine grosse Kunst die Farben richtig herauszuholen. Eine Stunde Labor kostete zweitausend Franken”, erzählt Fabian Kimoto.
Sein Glück: Ein Regisseur, der auch Inhaber einer Werbefirma ist, schaut einen seiner Dokumentarfilme, die er in der Freizeit gedreht hat. Da ihm seine Kameraführung gefällt, lädt er ihn dazu ein bei einem Dreh mitzumachen. Es folgen weitere Aufträge und bald ist Fabian Kimoto als Kameramann gefragt, kann sich selbstständig machen, und kommt in der ganzen Welt herum.
Trailer zur Doku “The Rising Sun” (2010)
Nach zehn Lehrjahren bereit für den nächsten Schritt
Er sei glücklich mit seiner Arbeit als Kameramann. Aber es sei auch sehr anstrengend ständig unterwegs zu sein: “Kameramann ist ein einsamer und sehr anstrengender Beruf. Du kommst ans Set, drehst und dann bist Du schon wieder weg und unterwegs zum nächsten Dreh. Ich liebe den Beruf, und will ihn auch weiterhin ausüben. Aber nun nach zehn Jahren kann ich für mich sagen, dass ich genug Erfahrung gesammelt habe, um einen nächsten Schritt zu wagen.”
Dieser nächste Schritt heisst für Fabian Kimoto selbst als Regisseur Projekte umzusetzen. Er hat bisher zwar bereits eigene Dokumentarfilme gedreht, aber immer unter grossem Zeitdruck und mit nur minimalen Fördermitteln. Der mit 25’000 Franken dotierte Förderbeitrag des Amt für Kultur des Kanton Thurgau erlaubt es ihm nun, sich mehrere Monate der Recherche für neue Projekte zu widmen.
Video: Bildstarker Werbefilm für Vogue Italia
Ideen müssen gründlich ausgereift sein
Auf die Frage, was für Projekte er genau umsetzen will, antworte Fabian Kimoto vorsichtig und mit Bedacht. Es gibt mehrere Themen, die ihn beschäftigen, doch er müsse zuerst gründlich recherchieren. Ein Filmprojekt, sei es einmal begonnen, werde schnell sehr teuer. Schwups sind drei Jahre vorbei, und die Finanzierung ist oft unsicher.
Ein Thema, dass ihn beispielsweise beschäftige ist die hohe Anzahl von Jugendlichen mit Depressionen in der Schweiz. Wobei sich gemäss einer Unicef Studie über 50 Prozent der Jugendlichen keine Hilfe holten. Ihn interessiere, warum dieses Thema nach wie vor ein grosses Tabu sei und wie man dieser Stigmatisierung entgegenwirken könne.
Ein weiteres Thema ist das Verhältnis von Mensch und Natur. Es gäbe die schönsten Naturdokumentationen, doch fehle ihm da immer etwas. Es brauche mehr als spektakuläre Aufnahmen, Begleitmusik und eine Erzählstimme.
Video: In “The Clash”, einem Werbefilm für Swisscom, ist das Verhältnis von Mensch und Natur ein zentrales Thema.
Ein Tanz mit der Kamera
Beim Betrachten von Fabian Kimotos Werbe- und Dokfilmen fällt die sensible und dynamische Art seiner Kameraführung auf. Etwa bei der Doku über eine Reise der Swing Kids nach Japan gelingt es ihm die Jugendlichen sehr behutsam zu begleiten und die Stimmungen einer solchen Gruppenreise gut einzufangen. Die Kamera ist präsent, doch sie stellt nicht aus, sondern macht sichtbar.
Besonders gut versteht er es auch die Bewegung im Tanz einzufangen. Auf die Frage, ob ihm hier seine Erfahrung als Tänzer helfe, antwortet Fabian Kimoto: “Beim Tanz genauso wie beim Film geht es um Energie. Der Film kann eine Energie einfangen mit Bildern und Sound. So kann man ein Thema auf eine kraftvolle Art und Weise erfahrbar machen. Nicht nur intellektuell sondern energetisch. Ich denke, das ist es, was mich am Film so sehr interessiert und fasziniert.”
Trailer zu einer Produktion der Tanzkompanie “Flying Steps”, welche im Hamburger Bahnhof (Berlin) mit einer Interpretation von Modest Mussorgskys “Tableau d'une exposition" Breakdance mit klassischer Musik verbindet. Kamera und Regie: Fabian Kimoto.
Die Serie zu den Förderbeiträgen
Die Serie: Alle ausgezeichneten Künstler:innen stellen wir in persönlichen Porträts vor. Sie erscheinen nach und nach in den nächsten Wochen bis zur Preisvergabe im Greuterhof Islikon am 7. Juni 2023. Alle Beiträge werden im Themendossier «Förderbeiträge» gebündelt. Dort finden sich auch Texte zu früheren Preisträger:innen.
Die Förderbeiträge: Die sechs jeweils mit 25'000 Franken dotierten Förderbeiträge vergibt der Kanton Thurgau einmal im Jahr. Mit der Auszeichnung soll eine künstlerische Entwicklung ermöglicht werden. Die Förderbeiträge wurden von einer Jury vergeben, die sich aus den Fachreferentinnen und -referenten des Kulturamts und externen Fachpersonen zusammensetzt. „Die Anzahl und Qualität der eingegangenen Bewerbungen war in diesem Jahr ausserordentlich hoch“, schreibt das kantonale Kulturamt in einer Medienmitteilung zur Preisvergabe.
Die Jury: Der diesjährigen Jury gehörten an: Annette Amberg, Kuratorin; Marcel Grissmer, Theaterschaffender; Lea Gabriela Heinzer, Musikerin; Pat Kasper, Musiker; Florian Keller, Journalist und Veranstalter; Patrizia Keller, Kuratorin; Markus Landert, Direktor Kunst- und Ittinger Museum Thurgau; Carina Neumer, Tanzschaffende; Simone Reutlinger, Musikwissenschaftlerin; Karin Schwarzbek, Künstlerin; Anja Tobler, Schauspielerin; Laura Vogt, Autorin; Regula Walser, Lektorin; Julia Zutavern, Filmschaffende; sowie Michelle Geser, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Kulturamts (Vorsitz).
Weitere Beiträge von Andrin Uetz
- Die Rückeroberung des Sees (23.05.2023)
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- Bitte auch das Kleingedruckte lesen (22.05.2023)
- Tagträume aus Kreidegrund (28.03.2023)
- Von Algorithmen und anderen Göttern (14.03.2023)
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- Dokumentarfilm
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