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von Inka Grabowsky, 01.07.2020

Die Theaterwerkstatt geht auf Tournee

Die Theaterwerkstatt geht auf Tournee
Mit Spass bei der Sache: Goran Kovacevic, Nicole Steiner, Silvana Peterelli, Simon Engeli, Noce Noseda. Joachim Steiner, Rahel Wohlgensinger, Joe Fenner. | © Inka Grabowsky

Die Theatertruppe aus Frauenfeld verlässt corona-bedingt ihr „Gleis 5“ und geht ab 8. August mit einem zur Zeit passenden Stück auf Tournee.  Als Freilicht-Wanderbühne in 7 Städten der Ostschweiz.

Minuten vor dem Ende der Deadline ging der Antrag auf Fördergelder heraus. Langfristig geplant war die Aufführung des „Decamerone“ (leicht gekürzt) wahrlich nicht. Wobei: „Ich wollte das Decamerone bestimmt seit zehn Jahren einmal machen“, sagt Regisseur Noce Noseda. Simon Engeli präzisiert: „Wir haben unser Publikum vermisst, und wir hoffen, dass auch unser Publikum uns vermisst. Deshalb haben wir ein Stück gesucht, das wir als Tournee-Theater mit einfacher Holzbühne umsetzen können. Goldoni oder Commedia dell‘Arte waren in der Diskussion, bis wir darauf kamen, dass es einen uralten Stoff gibt, der über die Jahrhunderte die Vorlage für unzählige Komödien geboten hat.“

Und so gehen sie nun ab 8. August unter dem Titel «Geschichten aus dem Decamerone. Der Mensch ist Mensch, wenn er erzählt» auf Tournee durch sieben Städte in der Ostschweiz (alle Termine am Ende des Textes). Das Decamerone passt naturgemäss thematisch perfekt in die Corona-Zeit. Zehn Freunde ziehen sich in ein Landhaus zurück, um der Pest zu entfliehen. Gegen die Langeweile erzählt jeder von ihnen an zehn Tagen eine Geschichte. Hundert Motive kommen so zusammen, von denen die Theaterwerkstatt-Truppe sechs bis sieben ausgewählt hat.

Video: Einblick in die Proben

Aktueller Stoff aus dem 14. Jahrhundert

„Wir wollen die Pest nicht mit Corona gleichsetzen“, betont Simon Engeli. „Vor 750 Jahren sind allein in Florenz hunderttausend Menschen gestorben. Aber das Lebensgefühl ist vergleichbar: Man hatte Angst sich bei Nachbarn und Familienangehörigen anzustecken. Es gab kein Gegenmittel ausser der Isolation.“ Der Schauspieler Joe Fenner meint: „Beim Lesen von Boccaccios Text wird man mitunter auf die heutige Zeit zurückgeworfen. Damals wie heute sprossen selbsternannte Experten aus dem Boden.“

„Und es gab auch die gleichen Verhaltensweisen“, so Nicole Steiner. „Einige haben die Krankheit ignoriert und nun erst recht Feste gefeiert, andere hatten Angst und haben sich verbarrikadiert.“ „Sich mit Fantasie eine Gegenwelt erschaffen: Das kann ein Mensch den Krisenzeiten entgegenhalten“, sagt Simon Engeli. „Geschichten sind mehr als Zeitvertreib. Einige berühren und bleiben einem fürs Leben.“

Leseprobe bei der Medienkonferenz zur Sommertournee (von links): Goran Kovacevic, Noce Noseda, Simon Engeli, Silvana Petrelli und Rahel Wohlgensinger. Bild: Inka Grabowsky

Spielfreude statt Ausstattung

Die Truppe rechnet mit rund 75 Minuten Spieldauer und wird jeweils um 19 Uhr starten. Das hat pragmatische Gründe. Das enge Budget von etwa hunderttausend Franken erlaubt keine Lichtanlage. Gespielt wird mit dem Rest des Tageslichts. Sollte es regnen, wird weitergespielt. Die Zuschauer bekommen dann Pelerinen. Die beiden roten Theaterbusse sind nicht nur Transportmittel, sondern auch Teil des Bühnenbilds. An passenden Kostümen soll es nicht mangeln.

Joachim Steiner aus Konstanz gestaltet Kleidung, die den Szenen wie auch der Situation gerecht werden. Figuren, die die fünf Schauspieler und Schauspielerinnen nicht darstellen können, wird Rahel Wohlgensinger mit ihren Puppen ergänzen. Der freche Hund „Monty“, mit dem sie überregional bekannt geworden ist, wird auch diesmal nicht fehlen und für Lacher sorgen. Der insgesamt vergleichsweise geringe Anspruch an die Infrastruktur mag dazu beitragen, dass die Akzeptanz an den sechs Spielorten gross ist. „Wir dürfen jeweils in den Herzen der Städte spielen“, so Simon Engeli. „Ich habe das Gefühl, wir werden überall mit offenen Armen empfangen.“

Ist auch mit dabei: Monty

Musik passend zu jeder Stimmung

Der Akkordeonist Goran Kovacevic begleitet jede der Szenen im Decamerone musikalisch. „Ich kann aus dem Vollen schöpfen“, freut er sich. „Von Klassik über Pop bis Jazz und Klezmer – es ist alles dabei.“

Der erfahrene Musiker geniesst nach eigenen Angaben die Arbeit mit den Leuten von der Theaterwerkstatt: „Es ist eine kreative und effiziente Truppe.“ Offenkundig ist sie auch musikalisch. Zum einen spielen alle zusammen die fröhliche Abschlussmusik, zum anderen ist mit Silvana Peterelli eine gute Sängerin mit auf der Bühne, deren Talent ins rechte Licht gerückt werden soll.

Besondere Vorsichtsmassnahmen machen das Theater möglich

„Zu uns zu kommen soll genauso sicher sein wie einzukaufen“, sagt Guiseppe Spina, der die Produktion mitinitiiert hat und bei der Organisation hilft. Schauspieler Joe Fenner hat einen Plan für die Sitzordnung der Zuschauer ausgearbeitet. Die Theaterwerkstatt nutzt 16 Bauelemente, die eigentlich einen Teil der Bühne in Frauenfeld bilden, als mobile Tribüne für die Zuschauer.

Die angemeldeten Besucher werden nach Haushalten gruppiert und dann von „Pestärzten“ zu ihrem Platz geleitet. Zur nächsten Familie gibt es ausreichend Abstand. Wegen der Hygienemassnahmen kann es keine Abendkasse geben. Tickets gibt es nur im online-Vorverkauf, auf Wunsch auch auf Rechnung. So sind auch die erforderlichen Kontaktadressen gleich bekannt. Bis zu neunzig Personen können bei jeder Vorstellung dabei sein, ohne Anstandsregeln zu verletzen.

Der Sängerkrieg der Heidehasen als Kinderstück

 

Alle Veranstaltungsorte und Zeiten im Überblick

Das Decamerone der Theaterwerkstatt wird vom 8. bis 30. August in Frauenfeld, Berneck (SG), Stein am Rhein (SH), Pratval (GR), Wil (SG), Romanshorn und Kreuzlingen laufen. In Frauenfeld, Wil und Kreuzlingen gibt es zusätzlich sonntags das Puppenstück „Der Sängerkrieg der Heidenhasen“. „Unser Decamerone ist zwar jugendfrei“, erklärt Simon Engeli. „aber es richtet sich schon an Erwachsene. Deshalb machen wir ein Extra-Angebot für Kinder.“

 

Tickets (15 Franken) für alle Vorstellungen gibt es ausschliesslich Online über diese Website: https://www.theaterwerkstatt.ch/decamerone-tickets

 

Frauenfeld: vor dem Bernerhaus, Bankplatz

Sa. 8. August, 19 Uhr: Decamerone

So. 9. August, 17 Uhr: Der Sängerkieg der Heidehasen

Di 11. bis Fr. 14. August, jeweils 19 Uhr: Decamerone

 

Berneck: auf dem Schulhausplatz Bünt

Sa. 15. August, 19 Uhr: Decamerone

 

Pratval: im Innenhof des Schloss Rietberg

So. 16. August, 19 Uhr: Decamerone

 

Wil: auf dem Hofplatz

Di. 18. bis Fr. 21. August, 19 Uhr: Decamerone

 

Stein am Rhein: im Hof im Bürgerasyl

Sa. 22. August, 19 Uhr: Decamerone

So. 23. August, 17 Uhr:  Der Sängerkrieg der Heidehasen

 

Romanshorn: Auf dem Vorplatz der Alten Kirche

Di. 25. und Mi. 26. August: Decamerone

 

Kreuzlingen: beim Seemuseum

Do. 27. bis Sa 29. August: Decamerone

So. 30. August: Der Sängerkrieg der Heidehasen

 

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