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von Inka Grabowsky, 06.12.2019

Fatale Nachrichten aus dem Kunstraum

Fatale Nachrichten aus dem Kunstraum
Pablo Walser in Kostümen für ein neues Filmprojekt | © Inka Grabowsky

In der Ausstellung zum diesjährigen Adolf Dietrich-Förderpreises setzt sich Pablo Walser humorvoll mit den Katastrophen der Wirklichkeit auseinander.

Seit 1984 vergibt die Thurgauische Kunstgesellschaft alle zwei Jahre einen mit 15.000 Franken dotierten Förderpreis an junge Künstler aus dem Thurgau oder dem Raum Singen/Konstanz. Der Prämierte erhält die Gelegenheit, sich im Kunstraum in Kreuzlingen der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. In diesem Jahr fiel die Wahl der Jury auf Pablo Walser.

Sie lobt seine „Lust am Fabulieren, Erzählen, Verknüpfen, Assoziieren, Irritieren, Collagieren. Insbesondere seine temporeichen filmischen Arbeiten, die sich modernster technischer Möglichkeiten bedienen, geben Einblick in eine vielschichtige Gedankenwelt“.  Erfreulicherweise muss der Preisträger nicht wirklich ein Fan von Adolf Dietrich sein. „Ich habe seine Werke als Kind angesehen und nicht verstanden“, räumt Pablo Walser ein.  

Eine Ausstellung mit Humor und einigen Möglichkeiten, Pause zu machen.  Bild: Inka Grabowsky

 

„Ich habe seine Werke als Kind angesehen und nicht verstanden.“

Pablo Walser über Adolf Dietrich 

Walser ist Kreuzlinger, sein Elternhaus ist nicht weit vom Kunstraum entfernt, er selbst hält sich inzwischen jedoch meist in Dresden auf, wenn er nicht gerade in Katalonien - nicht weit von der Grenze zu Frankreich - gemeinsam mit 13 Künstlerfreunden ein Atelierhaus umbaut. Das Material für die Ausstellung im Kunstraum hat er mit dem Kleintransporter aus Sachsen angekarrt. Gut zwei Wochen habe der Aufbau gedauert, meint er. Schliesslich hängt er nicht nur Bilder an die Wände, sondern verwandelt die ganze Fläche zielstrebig in ein geordnetes Chaos.

„Wenn man lange da ist, wird einem vögeliwohl“, schwärmt Richard Tisserand vom Einfallsreichtum des Preisträgers. Anders als in üblichen Ausstellungen darf der Besucher die Installationen tatsächlich berühren. „Es geht über den spielerischen Weg besser in den Kopf“, erklärt der Kurator des Kunstraums, der selbst vor 25 Jahren den ersten Adolf Dietrich-Förderpreis bekommen hatte. Walser war da gerade fünf Jahre alt.

Als Leinwand umfunktionierte Landkarte. Bild: Inka Grabowsky

 

„Meine früheren Arbeiten sind unpolitischer, aber heute ist das Aussen zu stark, um es zu ignorieren.“

Pablo Walser

Im Entree warten zwei Sessel vor einem Studiohintergrund auf einen Journalisten und seinen Gesprächspartner. „Hier spürt man gleich: es geht um Kommunikation“, erklärt Richard Tisserand. Pablo Walser beschäftigt sich aktuell unter dem Motto „News fatale“ mit dem Zustand der Welt. „Meine früheren Arbeiten sind unpolitischer, aber heute ist das Aussen zu stark, um es zu ignorieren.“

Im Stil eines sensationslüsternen Nachrichtenmagazins schreibt Walser seine orthographisch eigenwilligen Botschaften unter anderem auf ausrangierte Schul-Landkarten und macht sich damit unter anderem über Nationalismen lustig: „Schockierend: Kontinentalverkeilung. Die eurasische Kontinentalplatte makkert mit ihrer Grösse und anektiert Europa“. Auf einem übermalten Foto heisst es: „Dresden existiert nicht“ - frei nach Ben Vautiers Spruch zur Weltausstellung 1992 über die Schweiz.

Dresden gibt es für „News fatale“ ebensowenig wie Länder an sich. Bild: Inka Grabowsky

 

An anderer Stelle steht auf einem Bilderrahmen: „Liveticker – Bundesland der Inexistenz überführt“.  Er glaube generell nicht an Länder, so der Künstler: „Staaten werden durch Ideen zusammengehalten - und ich teile diese Ideen nicht.“ Man fühlt sich im Sprachduktus an das Satiremagazin „Der Postillon“ erinnert, nur das dort keine kunstvollen Bilder präsentiert werden.

„Ich nehme auch den Unsinn ernst. Humor ist mir wichtig."

Pablo Walser

Die Bilder und Kollagen stecken voller skurrilem Humor, auch wenn sie Katastrophen wie die Klimawandel thematisieren. Walser hat sowohl auf seiner Homepage als auch im Kunstraum extra eine Witzeecke eingerichtet: „Ich nehme auch den Unsinn ernst. Humor ist mir wichtig. Er hat etwas Befreiendes. Eine Pointe fällt, wenn ein Denkprozess zum Abschluss gekommen ist.“ In der Ausstellung finden sich auch Gastbeiträge von Kollegen, Freunden und Familienangehörigen, die dieser Philosophie folgen. „Allen Werken liegt eine kollektive Idee zugrunde, die man nicht explizit fassen kann.“

Walser legt grössten Wert auf seine Unabhängigkeit. Seinen Brotjob als Nachtwache in einem Dresdener Wohnheim für entlassene Strafgefangene will er trotz Auszeichnung nicht aufgeben. Er will auch nicht malen oder filmen, was auf dem Kunstmarkt gerade gefragt ist. „Aber wenn mich jemand um ein Bild bittet, würde ich es wohl schon verkaufen“, meint er. „Schliesslich ist im Atelier in Dresden inzwischen schon einiges an Kunst.“

Ein gemalter Nachrichten-Ticker. Bild: Inka Grabowsky

Nicht für den Markt

Sein Comic „Die Politikerin“, das als Wandzeitung die Rückwand des Ausstellungsraums einnimmt, ist in gebundener Version gegen eine Spende zu haben. Wer es einfach anschauen möchte, kann das aber auch gratis im Internet tun. Walser veröffentlicht alle Werke auf seiner Homepage. Trotz seiner wachsenden Bekanntheit seien die Besucher dort kaum zahlreicher geworden. „Im Durchschnitt sind es fünf am Tag, Und wenn es die richtigen fünf sind, ist das für mich auch in Ordnung.“ Während er ausstellt, lockt er mehr Neugierige auf seine Seite. Dann betrachteten auch mal 40 Kunstinteressierte die Online-Galerie.

Auch seine Filme hat er dort publiziert. Mal sind sie wenige Minuten lang, mal erzählen sie in einer Dreiviertelstunde komplexe Geschichten. Walser jüngster Film „Die Abwesenheit der Liebe“ läuft im Tiefparterre des Kunstraums in Dauerschleife. „Die Kameraführung, die Farben und die einprägsamen Bilder lassen sich auch in Ausschnitten erleben“, empfiehlt Kurator Tisserand eiligen Besuchern.

Schwerpunkte Film und Installation

Drei Jahre hat Pablo Walser an dem Werk gearbeitet. Auf ein nächstes Projekt verweist oben in der Ausstellung eine Garderobe, die mit ihren bunten Kostümen den Raum strukturiert. Der Künstler plant einen Zukunfts-Film, in dem die Protagonisten Kleider aus den sechziger Jahren tragen. Unter dem Arbeitstitel „Back to revolution“ sollen Drag-Queens und die Lust an der Verwandlung eine entscheidende Rolle spielen. Bis es soweit ist, dürfen Ausstellungsbesucher mit den Masken spielen.

Der Film „Die Abwesenheit der Liebe“ läuft im Tiefparterre. Bild: Inka Grabowsky



Ausstellung: Pablo Walser. Adolf Dietrich Preis 2019. Zu sehen vom 7. Dezember 2019 bis zum 19. Januar 2020. Vernissage und Preisverleihung: Samstag, 7. Dezember, 17 Uhr
„Annäherung an Pablos Welt“ mit Ueli Vogt vom Zeughaus Teufen. Neujahrsapéro: Sonntag, 12. Januar um 11 Uhr; Kuratorengespräch mit Richard Tisserand

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