von Medienmitteilung, 04.11.2021
Grosse Chance für Museen
Die Situation ist paradox: Viele Museen haben unter den Auswirkungen der Pandemie gelitten oder kämpfen immer noch damit. Wenige ergreifen aber aktuell das Angebot der Finanzierung von Transformationsprojekten (TfP). Kulturamtschefin Martha Monstein und drei Museumsleitende berichten von ihren Erfahrungen. Ein Gastbeitrag von Sibylle Zambon, Geschäftsführerin des Museumsvereins MUSE.TG. (Lesedauer: ca. 5 Minuten)
Woran es liegt, dass bislang kaum Gesuche aus dem Museumsbereich auf ihrem Tisch lagen, kann Kulturamtschefin Martha Monstein nur vermuten: «Gut möglich, dass die Institutionen nicht so recht wissen, welche Art von Projekten sie einreichen können oder aber sie arbeiten daran, und kurz vor Ablauf der Frist Ende November gehen dann viele Gesuche bei uns ein.»
Nicht nur im Thurgau wird das Angebot spärlich genutzt. Schweizweit sieht die Lage ähnlich aus. Das gibt der Verband der Museen Schweiz (VMS) auf Anfrage bekannt. Dies obwohl der VMS bereits Anfang 2021 eine online Informationsveranstaltung durchführte, um die vom Bund beschlossene Finanzierung zu erläutern und das Angebot und die Möglichkeiten von Transformationsprojekten bekannt zu machen.
Bis zu 80 Prozent der Projektkosten werden übernommen
Das Ziel des Bundes ist schnell zusammengefasst: Kulturinstitutionen, also auch Museen, sollen sich mittels Transformationsprozessen weiterentwickeln. Denn die Kultur stehe in verschiedener Hinsicht vor neuen Herausforderungen, und die Covid-19-Pandemie habe die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung noch verstärkt. Insbesondere gehe es darum, eine nachhaltige Schädigung der Schweizer Kulturlandschaft zu verhindern. Dazu sind Bund und Kantone bereit, bis zu 80 Prozent der Projektkosten (von maximal 300'000 Franken) zu übernehmen. Noch sind bis Ende November Einreichungen beim kantonalen Kulturamt möglich.
Es sei eine einmalige Chance, sagt denn auch Martha Monstein, Projekte anzugehen, die schon seit längerem angedacht sind. Damit meint sie nicht zuletzt die Überarbeitung von Organisationsstrukturen, die einem Museum längerfristig das Überleben sichern. «Museen, die einen solchen strukturellen Prozess in Angriff nehmen wollen, können wir Fachpersonen vermitteln, die aufzeigen, welche Möglichkeiten es gibt.» Als konkrete Beispiele nennt sie die Neugestaltung der Museumsorganisation mit Hilfe eines professionellen Coaches, um Abläufe zu professionalisieren oder die Organisation zu verschlanken.
Projekte können auch neues Publikum erschliessen
Gemeint sind aber auch die Schaffung und Nutzung von Synergien oder Kooperationen verschiedener Kulturbetriebe, etwa zur Nutzung einer gemeinsamen Infrastruktur. Nicht zuletzt seien TfP struktureller Art geeignet, um Nachfolgeprobleme anzugehen, deren Lösung in einzelnen Thurgauer Museen anstünden, so Martha Monstein.
Ein weiterer Fokus von TfP liegt auf der Rückgewinnung von Publikum bzw. der Erschliessung neuer Publikumssegmente. «Das kann beispielsweise über neue Werbekanäle geschehen, die man nutzen will.» Wichtig sei, so die Kulturamtschefin, dass der Bezug zu Corona hergestellt werde und man mit Fachpersonen zusammenarbeite. «Dann ist vieles möglich.»
Transformationsprojekte – drei Beispiele
Das Angebot ist also da. Es stellt sich die Frage: Was hindert die Museen am Zugreifen? Sind es fehlende Ressourcen, ist es der befürchtete administrative Mehraufwand, oder sind die Museen zu wenig über die inhaltlichen Möglichkeiten informiert? MUSE.TG hat bei drei Museen, die ein TfP eingereicht und bereits teilweise umgesetzt haben, nachgefragt und dabei auch etwas über die Kantonsgrenzen hinausgeschaut.
Seemuseum Kreuzlingen: Das Konkrete
Schon früh, nämlich Ende November 2020, reichte das Seemuseum Kreuzlingen ein TfP unter dem Titel An die Luft, ans Wasser – Transformationsprojekt Seeschulzimmer beim Kanton ein. «Damit wollten wir den Museumsbesuch für Schulklassen an die frische Luft verlegen», sagt Museumsleiter Christian Hunziker. Das Projekt wurde speziell im Hinblick auf die Wiedergewinnung von Publika bzw. die Gewinnung neuer Publikumssegmente lanciert. Von Vorteil war, dass beim eingereichten Konzept auf ein bestehendes Angebot des Seeschulzimmers aufgebaut werden konnte. «Wir konnten unsere Vermittlungskoffer neu auflegen und an die aktuellen Herausforderungen anpassen», so Christian Hunziker. Dazu ging man Kooperationen ein: Mit der Gewässerschutzorganisation Aqua Viva fand sich die ideale Partnerin für die Erarbeitung der Inhalte, während die Pädagogische Hochschule Thurgau die pädagogische Begleitung übernimmt.
Daraus entstehe eine Win-Win-Situation für das Museum, so Christian Hunziker. «Wir erhalten von der PH die nötige didaktische Beratung und können im Gegenzug den Lehrpersonen fixfertige auf den Lehrplan 21 abgestimmte Unterrichtseinheiten bieten.» Zudem könne man das Angebot bei angehenden Lehrpersonen bekanntmachen und so den Grundstein für eine weitere Zusammenarbeit legen. Eine Zusammenarbeit im Übrigen, die bereits gut funktioniert. So wird der erste Vermittlungskoffer zum Thema Wasserqualität und Mikroplastik schon rege gebucht. Zwei weitere sollen bis Ende Oktober 2022 als TfP umgesetzt werden. Christian Hunziker ist überzeugt: «Mit dem Seeschulzimmer schaffen wir ein nachhaltiges Angebot.»
Museum Zeughaus Teufen: Das Experimentelle
Ein Projekt ganz anderer Art reichte das Museum Zeughaus Teufen im Januar dieses Jahres ein. In Zusammenarbeit mit der Thurgauer Kunsthistorikerin und Vermittlerin Rebekka Ray ist man daran unter dem Namen Büro für Baukultur eine Institution zu etablieren. Deren Ziel ist es, im Bereich Vermittlung von Baukultur das Tätigkeitsfeld zu erweitern und neue Formate, Kooperationen und Wirkungskreise ausserhalb des Museums zu erkunden.
Dies immer mit der übergeordneten Absicht, die Bevölkerung für die Wahrnehmung der eigenen Umwelt und insbesondere der Baukultur zu sensibilisieren. Ein Kernanliegen des Museums, das sich mit der Teufener Baumeisterfamilie Grubenmann, die übrigens auch im Thurgau für viele Bauten verantwortlich zeichnete, befasst.
Ziel: Aus den Museumsmauern heraustreten
Das TfP, bei dem der Weg zum Ziel führen soll, ist bewusst offen formuliert. Der Schwerpunkt ist jedoch gegeben, wie Ueli Vogt erläutert: «Wir wollen neue Strukturen schaffen und aus den Museumsmauern heraustreten.» Dabei fungiert das Büro für Baukultur gleichsam als Dach, unter dem einzelne Angebote umgesetzt werden.
Dazu zählt etwa das Sommercamp Architektur, das dieses Jahr auch im Schulhaus Oberwiesen in Frauenfeld durchgeführt wurde. «Eine Woche lang arbeiteten wir mit zwei Schulklassen der Mittelstufe an Fragen wie: Welche Farbe, Form, Struktur findest du in deiner nächsten Umgebung? Was kommt besonders häufig vor? Wie beschreibst du, was du siehst?»
Sitz des Büros für Baukultur ist noch offen
Auch Fachleute kommen zu Wort, eine Architektin oder ein andermal ein Denkmalpfleger. Und dann könne es vorkommen, dass man ganz neue Perspektiven gewinne, so Ueli Vogt: «Die Kinder erlebten den Denkmalpfleger nicht etwa als Verhinderer, wie das häufig bei Bauherren der Fall ist, sondern als einer, der dem Bauwerk eine Stimme gibt.»
Noch ist offen, wo das Büro für Baukultur seinen Sitz und welche juristische Form es haben wird. «Wir können uns vorstellen, auch Institutionen ausserhalb des Kantons zu bedienen, etwa mit Angeboten für die Denkmalpflege, Behörden, aber auch für neue Publikumssegmente wie Menschen mit einem Handicap oder Bewohnerinnen von Altersheimen.»
Henry-Dunant-Museum: Das Umfassende
Gross gedacht hat man im Henry-Dunant-Museum in Heiden. Das Museum wagt im Rahmen eines TfP die Neupositionierung des Hauses. Museums-Co-Leiterin Kaba Rössler führt aus: «Als Nadine Schneider und ich 2019 gemeinsam die Museumsleitung übernahmen, sahen wir, dass es grundlegende Veränderungen braucht, um das Überleben des Museums zu sichern.» Da kam die Zeit der geschlossenen Museen gelegen.
Man nutzte sie, um Prozesse auf verschiedenen Ebenen zu prüfen. Dies immer vor den Fragen: Wie begegnen wir den Herausforderungen der Zeit, und wie können wir als Museum gesellschaftlich relevant bleiben?
Neue Website und digitale Ausstellungen
Unter dem Titel Das neue Henry-Dunant-Museum – sinnlich, digital, gegenwärtig wurden schliesslich sechs Projekte eingereicht. Allerdings sprengten diese die Möglichkeiten der von Bund und Kanton garantierten Finanzierung. Es mussten weitere Geldgeber gefunden werden. Unterdessen ist man mitten in der Umsetzungsphase. Realisiert sind etwa die Neugestaltung der Website mit einem Online-Shop oder die Lancierung von Ausstellungen und Interventionen in der Veranda des Dunant-Plaza, die tatsächlich rund um die Uhr zugänglich sind.
Auf struktureller Ebene wurden die Möglichkeiten der internen und externen Kommunikation untersucht, mit dem Ziel, diese zu standardisieren und digitalisieren. Der elektronische Jahresbericht wird in Kooperation mit dem Bernischen Historischen Museum und unter Beizug einer externen IT-Firma entwickelt und soll im Februar 2022 zum ersten Mal als Prototyp erscheinen.
Das Projekt ist offen angelegt. Thurgauer Museen, die sich dafür interessieren, sind eingeladen mitzumachen. «Denn», so Kaba Rössler, «es ist uns wichtig, das zu teilen, was wir mit öffentlichen Geldern entwickeln.»
Die grosse Frage: Wie vorgehen?
Die Beispiele zeigen: Vieles ist möglich bei Transformationsprojekten. Wer ein Gesuch einreichen will, findet auf der Website des kantonalen Kulturamtes erste Informationen und einen Überblick über die Anforderungen. Martha Monstein betont: «Wenn jemand nicht weiss, was oder wie er etwas einreichen soll, beraten wir gerne. Man kann uns jederzeit anrufen.»
Das dem so ist, bezeugen aller drei interviewten Projektleitenden. Sie empfehlen auch, frühzeitig den Kontakt zu den Ämtern zu suchen. Wichtig sei, so Ueli Vogt, «die richtige Formulierung zu finden». Das allein genügt freilich nicht. Man müsse sich bewusst sein, dass jedes Projekt auch Ressourcen beanspruche. Er empfiehlt deshalb ein Projekt anzupacken, das man langfristig weiterführen kann.
Ganz ähnlich äussert sich Christian Hunziker: «Neue Projekte generieren Mehrarbeit und Verwaltungskosten.» Diese lohnten sich jedoch, wenn sichergestellt ist, dass das geplante Projekt zur Ausrichtung des Museums passe. Kaba Rössler schliesslich weiss aus Erfahrung: «Lieber ein kleines Projekt umsetzen, dass eine gewisse Dringlichkeit hat, und sich auf das konzentrieren, was man mit den vorhandenen Ressourcen leisten kann.»
Bewerbung für Transformationsprojekte
Alle Informationen für die Einreichungen von Transformationsprojekten, finden sich auf der Website des kantonalen Kulturamts. Noch bis 30. November 2021 sind Bewerbungen möglich. Die Projekte müssen allerdings bis Ende Oktober 2022 abgeschlossen sein.
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