von Brigitte Elsner-Heller, 20.11.2017
Ihre Kunst gibt sich ornamental
Almira Medaric ist die 17. Preisträgerin des Adolf-Dietrich-Förderpreises. Teil des Preises ist eine Ausstellung im Kunstraum Kreuzlingen. Und die fällt rundum freundlich aus.
Von Brigitte Elsner-Heller
„Dieses Mal haben wir auch Möbel hier“, sagt Richard Tisserand, der 1984 selbst Preisträger des neuen Adolf-Dietrich-Förderpreises war. Am vergangenen Samstag wurde der Preis bereits zum 17. Mal vergeben – an die junge Künstlerin Almira Medaric, die 1992 in Doboj, Bosnien und Herzegowina, geboren wurde. Nicht nur der finanzielle Anschub ist für junge Künstler der Region Ansporn, es ist auch die Ausstellung im Kunstraum Kreuzlingen, die für Künstler, die noch am Anfang stehen, ein gutes Forum ist. Es liegt dann auch keinerlei Ironie in der Aussage Tisserands, sie hält einfach nur eine Tatsache fest. Ein Bett steht im Raum, lediglich Rahmen und Matratze; in einer Raumecke ein Sessel mit geometrischem Flechtmuster, dann ein großer Tisch, um den Stühle stehen. Hier kann man einen Katalog betrachten oder auch Mosaike legen mit den bunten Holzklötzchen aus dem Spielzeugkasten – eine kleine ironische Zutat, die in Bezug steht zur Kunst der Preisträgerin.
Vernissage und Preisverleihung haben Charme
Kunst gibt sich bei Almira Medaric auch schon mal als Regal. Bild: Brigitte Elsner-Heller
Anders ist bei dieser Vernissage, die gleichzeitig auch Preisverleihung ist, manches. So sind junge Familien da, kleinere Kinder und auch Babys in Kinderwagen, die der Veranstaltung ihren ganz eigenen Charme geben. Mittendrin Almira Medaric, die in Frauenfeld lebt und arbeitet, hier im Kreis ihrer Familie, nicht merklich nervös angesichts des besonderen Anlasses. Freunde und ehemalige Mitstudierende sind gekommen – Ausdruck des freundlichen Miteinanders, das in Basel an der Kunsthochschule geherrscht habe, wie Renée Levi später in ihrer Laudatio anmerken wird.
Reicht Geometrie als Inhalt von Kunst?
Sowohl die Möbel als auch die Holzklötzchen haben, wie schon kurz erwähnt, etwas mit der Kunst der Preisträgerin zu tun. Ausgangspunkt sind für sie geometrische Formen, die sie zu farblich fein austarierten Ornamenten fügt – was in der Farbwahl durchaus an Tapetenmuster der 1960er oder 1970er Jahre erinnert und eine erste „Wohnzimmeratmosphäre“ schafft. Zudem wirken die Objekte, die sie – handwerklich perfekt ausgeführt – in den Raum ausgreifen lässt, zum Teil wie Möbelstücke. Hier steht dann so etwas wie ein Regal wie ein Raumteiler, dort „hängt“ ein anderes aber auch als Raute an der Wand. Wobei dieses Mal das Regalraster lediglich in schwarzen Farbstreifen ausgeführt wird, und nur die – wiederum geometrischen – Objekte, die vermeintlich darin stehen, an die Wand gehängt sind.
Renée Levi, die Almira Medaric in ihrem Master-Studium an der Hochschule für Gestaltung und Kunst (FHNW) in Basel betreut hatte, gab einen kurzen Rückblick und stellte die Arbeiten ihrer ehemaligen Studentin in einen grösseren Kontext. Die handwerkliche Perfektion brachte sie in Verbindung mit der spielerischen Art, in der Almira Medaric vorgehe. Da der Malgrund stets Holz sei, erinnerten die Objekte auch an Parkett oder Intarsien. Sie ging in ihrer Würdigung allerdings auch auf kritische Stimmen ein, die infrage stellten, dass Geometrie als Inhalt von Kunst ausreiche. „Erwartet wird ein Titel, ein Text, eine Geschichte“. Renée Levi stellte sich dem entgegen und ermunterte die Preisträgerin, ihren Weg weiter zu gehen. In diesem Zusammenhang fiel ein Satz, der lyrische Qualitäten hat: „Im Ornament ist die Sprache des Himmels Farbe geworden“.
Filmabend mit der Preisträgerin am 14. Dezember
Den Preis, der mit 15.000 Franken dotiert ist und der alle zwei Jahre ausgelobt wird, überreichte Karl Studer, Präsident der Thurgauischen Kunstgesellschaft. Zugesprochen hatte ihn Almira Medaric eine Jury aus Mitgliedern des Vorstands. Neben dem Preisgeld konnte sich Almira Medaric auch über die jüngste Dokumentation über Adolf Dietrich freuen, ein Buch, das soeben zur Adolf-Dietrich-Ausstellung im Museum des Kantons Thurgau in der Kartause Ittingen erschienen ist („Adolf Dietrich. Der Zeichner malt“, Oktober 2017).
Neben der Ausstellung mit Arbeiten der Preisträgerin im Kunstraum Kreuzlingen wird es dort noch einen Filmabend mit Almira Medaric geben (Donnerstag, 14. Dezember, 20 Uhr). Zusätzlich wird sie im Frühjahr 2018 im Adolf-Dietrich-Haus in Berlingen zu Gast sein.
Video: Einblick in das Atelier von Almira Medaric
Weitere Bilder von der Vernissage (alle von Brigitte Elsner-Heller):
Ornamente, die Wege weisen.
Raumbezüge in der Ausstellung von Almira Medaric im Kunstraum Kreuzlingen.
Kunst von Almira Medaric einmal anders - als menschliches Raster?
Weitere Informationen unter:
Weitere Beiträge von Brigitte Elsner-Heller
- Mit einer gewissen Bestürzung (31.10.2022)
- Liebe und Hass: Die Welt der Ambivalenzen (14.09.2022)
- Offene Rechnungen (15.08.2022)
- «Wir mögen gut erzählte Geschichten.» (02.08.2022)
- Sex in Zeiten des Krieges (18.07.2022)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Kunst
Kommt vor in diesen Interessen
- Kritik
Ähnliche Beiträge
Tagträume aus Kreidegrund
Inspirierendes Erlebnis: Mit „Blurred” findet in der Kunsthalle Arbon die erste Ostschweizer Soloausstellung der Basler Künstlerin Laura Mietrup statt. mehr
Auf zu neuen Welten!
Das alte Apollokino in Kreuzlingen erlebt in der Kunstnacht Konstanz Kreuzlingen eine fulminante Wiederauferstehung – als Tempel der zeitgenössischen (Film)Kunst. mehr
Kommen und Gehen
#Lieblingsstücke, Teil 25: Arrangierte Filmaufnahmen aus der Megacity Delhi werden dem Experimentalmusiker und Videokünstler Ernst Thoma zur glänzenden Reflexion von Zeit und Wahrnehmung. mehr