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von Inka Grabowsky, 14.02.2023

Raus aus dem Keller, rein ins Museum

Raus aus dem Keller, rein ins Museum
Isabelle Krieg richtet ihr „Life Jacket“ in der Ausstellung zu 55 Jahre Kunstkommission Kreuzlingen ein. | © Inka Grabowsky

Die Stadt Kreuzlingen feiert den 55. Jahrestag der Gründung ihrer Kunstkommission mit einer Ausstellung im Museum Rosenegg. Zu sehen ist eine repräsentative Auswahl der Ankäufe der vergangenen Jahrzehnte. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

«Im Zuge der Vorbereitungen des 75-Jahr-Jubiläums der Stadt sind wir zufällig auf das 55-jährige Bestehen der Kulturkommission aufmerksam geworden“, erzählt Stadträtin Dorena Raggenbass. Sie ist immer noch stolz darauf, dass 1968 der Gemeinderat mit einer sehr breiten Mehrheit mit einer Motion an den Stadtrat gelangte, eine Kommission für den Ankauf von Kunstwerken einzurichten. «Das war damals für eine so junge Stadt sehr bemerkenswert.»

Die Saat ging auf. Die Früchte lassen sich nun für einmal im Museum Rosenegg bewundern. Im Laufe der Zeit sind in der städtischen Sammlung über 800 Objekte zusammengekommen, die zum Teil Büros oder Sitzungszimmer der städtischen Einrichtungen schmücken, zum Teil im öffentlichen Raum zu sehen sind, aber zu einem Grossteil auch unsichtbar im Kulturgüterschutzraum unter dem Schulzentrum Seetal lagern.

«Raus aus dem Keller und den Büros, rein in den Palazzo», war deshalb das Motto von Dolores Claros-Salinas, die seit vielen Jahren Mitglied der Kunstkommission ist, und die jetzt die Ausstellung kuratiert hat.  

 

«Unsere Kunst ist keine Wertanlage im finanziellen Sinn. Sie hat einen Wert für die Gesellschaft, weil sie als Zeitzeugin Teil unserer Geschichte ist.»

Dorena Raggenbass, Stadträtin

Gemäss den Aufgaben der Kunstkommission entstanden in den Räumen der Rosenegg die Rubriken «Bewahren», «Fördern», «Sammeln», «Entdecken», «Vermitteln» und «Initiieren». «Man könnte die Ausstellung beliebig erweitern», sagt die Kuratorin, «aber so wie sie jetzt ist, bietet sie einen stimmigen Überblick über die vergangenen 55 Jahre.»

Um auch der Gegenwart gerecht zu werden, ist ein Zimmer im Altbau den beiden Kreuzlinger Künstlerinnen Heidi Schöni und Isabelle Krieg zur Verfügung gestellt. Krieg zeigt ihre Installationen «Life Jacket (Earth)» aus ineinander gesteckten Jacken und «Unerledigt 3» aus bemalten Kaffeetassen, Heidi Schöni das grossformatige Gemälde «Ohne Titel 4» von 2020.

 

Heidi Schöni zeigt „Ohne Titel 4“. Bild: Inka Grabowsky

Wie Helen Dahm die Sammlungspolitik veränderte

3000 Franken im Jahr durfte die Stadt in den ersten Jahren in Kunstwerke investieren. «Das änderte sich gemäss den Protokollen der Kunstkommission Ende der siebziger Jahre», erzählt Dolores Claros-Salinas. «Erst wurde die Summe auf 6000 erhöht und dann schliesslich auf 12.000. Anlass war der Ankauf von Helen-Dahm-Bildern zehn Jahre nach ihrem Tod. Es war wohl allen klar, dass die guten Werke ihren Preis haben.»  

Der damaligen Kunstkommission war aufgefallen, dass die Künstlerin in ihrer Heimatstadt – sie wurde 1878 in der Rosenegg geboren – kaum präsent war. Das sollte sich durch gezielte Ankäufe ändern. Diese Bilder sind nun wichtiger Teil der Ausstellung.

35’000 Franken pro Jahr für neue Kunst

Heute hat die Stadt ein Budget von jährlich 35’000 Franken, das den Kunstfond speist. «Das reicht normalerweise für zwei oder drei Neuanschaffungen», so Dorena Raggenbass. Zusätzlich wachse der Bestand durch Schenkungen, Erbschaften oder auch durch die Ergebnisse von Wettbewerben oder Ausschreibungen.

Auf die Idee, einzelne Werke auch wieder zu verkaufen, die Sammlung also aktiv zu bewirtschaften, sei noch niemand verfallen, sagt die Präsidentin der Kunstkommission. «Unsere Kunst ist keine Wertanlage im finanziellen Sinn. Sie hat einen Wert für die Gesellschaft, weil sie als Zeitzeugin Teil unserer Geschichte ist.»

 

Gerade noch im Büro des Stadtpräsidenten, und nun sichtbar für alle im Museum: Ein Gemälde von Nik Garbini. Bild: Inka Grabowsky

Erinnerungsstücke für Kunstfreunde

In den Räumen der Rosenegg werden schon deshalb Erinnerungen wach, weil die Stadt es sich zur Gewohnheit gemacht hat, bei grossen Ausstellungen jeweils ein Werk zu erwerben. (Im Rahmen des Fotoforums von 2009 bis 2015 war es sogar Teil der Abmachung, dass ein Bild pro Jahr in Kreuzlingen blieb). Im Foyer des ersten Obergeschosses beispielsweise ist «Love Parade 01» von Philipp Trautmann zu sehen, das die Stadt nach einer Ausstellung im Dreispitz 2018 gekauft hat. Kurt Lauer hatte zuvor Material des 2008 verstorbenen Künstlers übernommen und einige Leinwände mit seinem Lauerismus ergänzt.

Nun hängt ein Bild von Lauer nicht zufällig direkt neben dem Werk Trautmanns. Prominent an der Stirnseite des Raums steht eine Unterseeansicht als Hinterglasarbeit des gerade verstorbenen Richard Tisserand, der als Kurator des Kunstraums die kulturelle Szene der Stadt lange mitgeprägt hatte. 

Aus einer Ausstellung 2015 im offenen Atelier der Stiftung Mansio stammt ein grossformatiges Gemälde von Niklas Garbini. Es hing lange bei Stadtpräsident Thomas Niederberger im Büro. Nun dürfen es alle sehen, und der Stapi hat sich eine Alternative ausgesucht.

 

Richard Tisserands Unterseeansicht steht vorsichtshalber auf einem Sockel. Die Unterglasarbeit ist schwer. Bild: Inka Grabowsky

Erinnerungen an die grosse Bellevue-Ausstellung

An die grosse Bellevue-Ausstellung von 1984 erinnert die Installation von Agnes Blum, die die Türen eines alten Wäscheschranks mit Textilien kombiniert hatte. «Wir hatten ausser dem Katalog lange nichts, was an das Grossereignis erinnerte», erklärt Dolores Claros-Salinas. «Dann konnten wir vor einigen Jahren glücklicherweise eine der Türen erwerben.»

Das Kunstwerk erzählt mehrere Geschichten, unter anderem die eines Wasserschadens während der Schau im geschlossenen Sanatorium. Ursprünglich sei die Wäsche in den gläsernen Türfüllungen einmal weiss gewesen, erklärt Dorena Raggenbass. «Aber sie wurde feucht, nach den drei Monaten im Bellevuegebäude machte sich Schimmel breit.» Dadurch entstanden die schwarzen Muster, die heute jede Falte akzentuieren.

Unterhaltsames und Lehrreiches im Rahmenprogramm

David Bruder, der Leiter des Museums Rosenegg, freut sich auf die Mittagsgespräche, die im Rahmenprogramm einzelne Kunstwerke auf dem Stadtgebiet in kurzer Form thematisieren werden. Ausserdem gäbe es Sonderöffnungszeiten zur Kunstnacht und spezielle Führungen sowohl im Museum als auch in der Stadt.

 

Eine illustre Reihe regionaler Künstler für einmal vereint: Werke von Willi Oertig, Philippe Mahler, Kurt Lauer und Philipp Trautmann. Bild: Inka Grabowsky

 

 

Die Ausstellung & das Rahmenprogramm

Die Ausstellung «Die Kunst der Stadt – 55 Jahre Kunstkommission» im Museum Rosenegg läuft noch bis zum 1. Juni. Geöffnet mittwochs von 17 bis 19 Uhr, freitags und sonntags von 14 bis 17 Uhr

 

Rahmenprogramm

 

Mittagsgespräche jeweils Donnerstag von 12.15 bis 12.30 Uhr

Kunst im öffentlichen Raum «Die Entdeckung des Stadtraums»
Referentin: Nadja Miani, Kunstkommission

Do, 16.2. / An der Weinstrasse, Quartiersplatz

Do, 2.3. / Die Couch, Hauptstrasse 14a
Do, 23.3. / Gemeindeplatz Egelshofen
Do, 20.4. / Findling, Somm AG, Schrofen

Do, 11.5. / Signerbrunnen, Marktstrasse 4a

 

 

Einblick in den Kulturgüterschutzraum
Mi, 1.3., 18.30 Uhr
(in der Reihe «Kreuzlingen entdecken»)
Führung: Dorena Raggenbass, Präsidentin der Kunstkommission
Anmeldung: carmen.ramos@kreuzlingen.ch Treffpunkt: Romanshornerstrasse 63, Schulhaus Seetal, Eingang Kindergarten

 

Kunst am Bau. Kunst im öffentlichen Raum
Mi, 8.3., 19 Uhr
Führung: Bernard Roth, Architekt Treffpunkt: Museum Rosenegg, mit dem Velo

 

Kunstnacht

Sa, 25.3., 22 Uhr

Kuratorenführung: Dr. Dolores Claros Salinas, Kunstkommission Kreuzlingen. Sonderöffnungszeit im Museum Rosenegg: 16–23 Uhr

 

Fotoforum Kreuzlingen

Mi, 12.4., 19 Uhr im Museum Rosenegg

Führung: Peter Forster, Werbefotograf.

 

Gesprächsrunde: Sammeln - eine Leidenschaft
Mi, 10.5., 19 Uhr im Museum Rosenegg
Markus Landert (Kunstmuseum Thurgau)
Dr. Barbara Stark (Wessenberg-Galerie Konstanz) Karin Dammann (Private Sammlung Art Brut) Moderation: Ueli Vogt und Reto Müller (Kuratorenteam Kunstraum)

 

 

 

 

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