von Ramona Früh, 31.08.2020
So klingt der Thurgau
Eine grosse Vielfalt an neuer Musik zeigt das Konzert «Thurgauer Mosaik» am 4. September 2020 im Rathaussaal Frauenfeld. Es vereint die Werke von 15 Thurgauer Komponistinnen und Komponisten – von neuer Musik über Jazz bis zum Chanson.
Dass es so viele Komponistinnen und Komponisten mit Bezug zum Kanton Thurgau gibt, wussten nicht einmal die Veranstalter selber. «Es sind wahrscheinlich nicht einmal alle. Es war ja nicht unser Anspruch, alle Komponistinnen und Komponisten zu finden, sondern in diesem Konzert eine Vielfalt zu zeigen», meint Barbara Hidber.
Sie ist zusammen mit Wolfang Pailer im Vorstand des Schweizerischen Musikpädagogischen Verbandes, Sektion Thurgau. Die Ursprungsidee, in einem Extrakonzert dem 100. Geburtstag des Thurgauers Armin Schibler zu gedenken und ein Werk Schiblers mit solchen von anderen Thurgauer Komponistinnen und Komponisten zu kombinieren, wuchs und wuchs zum grossen Konzertprogramm an.
Zum 100. Geburtstag des Komponisten und Musiklehrers Armin Schibler
Armin Schibler war 1920 in Kreuzlingen geboren und studierte Musik in Zürich. Er selber wirkte sein Leben lang als Musiklehrer und war zeitweise einer der meistgespielten Schweizer Komponisten. Doch sein Stil, die Verbindung einer klassischen modernen musikalischen Sprache mit Elementen aus Jazz und Rockmusik, machte ihn auch zu einer umstrittenen Figur.
Die Offenheit Schiblers für andere Musikstile zeigt sich nun auch im Programm des SMPV-Konzerts am 4. September im Rathaussaal Frauenfeld. Das Konzert vereint nicht weniger als 15 zeitgenössische Komponistinnen und Komponisten, die einen Bezug zum Thurgau haben, hier leben, arbeiten oder hier aufgewachsen sind. Die 16 Mitwirkenden interpretieren die Werke, die von zeitgenössischer Musik über Jazz bis zu Chansons reichen. Ein buntes, sehr abwechslungsreich Programm entsteht – daher auch der Titel: Thurgauer Mosaik.
Man staunt ob der grossen Vielfalt und ist überrascht. Spannend findet das der Präsident des SMPV-Thurgau, Wolfgang Pailer: «Niemand von uns kennt alle Werke.» Ihm ist es ein grosses Anliegen, auch Komponistinnen zu fördern und im Programm zu haben. So hat er denn auch zwei Frauen um neue Kompositionen für das Konzert angefragt: die Frauenfelder Sängerin und Chorleiterin Julia Schwartz und die junge Steckborner Violinistin Barbara Hidber.
Zwei Uraufführungen von zwei Komponistinnen
Julia Schwartz, ursprünglich aus den USA stammend und schon 24 Jahre im Thurgau lebend, freut sich sehr auf das Konzert: «Diese Vielfalt ist beeindruckend, oder? Ich kenne selber nicht alle Komponistinnen und Komponisten. Ich hoffe, dass es auch einen Austausch untereinander geben wird.»
Julia Schwartz ist Interpretin und Komponistin. Sie komponiert Chorwerke, Kammermusik, Lieder, Theatermusik und elektronische Collagen. Für das Programm wollte sie ein Stück schreiben, das «in Richtung Theater geht. Ich wollte nichts Sperriges machen in diesem Programm. Es soll ja ein buntes Mosaik ergeben.»
Zwischen E- und U-Musik
Julia Schwartz hat nun zwei Gedichte von Friedrich Rückert vertont: Das Resultat sind zwei witzige Chansons nach dem Vorbild von Arnold Schönbergs Brettl-Liedern mit humoristisch und teils auch gewagten Texten. Ähnliches darf man von Julia Schwartz’ Liedern erwarten: Die Titel «12 Freier» und Die nickende Mutter» sprechen bereits für sich. «Die Lieder sind irgendetwas zwischen E- und U-Musik», sagt Schwartz. Damit passen sie perfekt ins Konzertprogramm. «Als Sängerin singe ich oft Chansons der leichten Muse, aber auf musikalisch hohem Niveau, sowie zeitgenössische Musik. Deshalb ist es mir relativ leicht gefallen, mit dem Komponieren anzufangen.»
Mittlerweile ist für Schwartz zum Singen und Komponieren auch noch das Dirigieren dazugekommen. Für sie ergänzen sich die drei Tätigkeiten auf ideale Weise: «Ich bin sehr gerne vor den Leuten als Dirigentin, unterhalte gerne mit meinen Programmen als Sängerin und mag auch die intellektuelle Arbeit des Komponierens sehr gerne. Es kommt alles von innen heraus, nimmt aber einen anderen Weg, um an die Leute zu kommen.»
Zeitgenössische Musik ist nicht gleich zeitgenössische Musik
Die in Steckborn geborene Barbara Hidber ist ebenfalls Interpretin und Komponistin. Sie hingegen begeistert sich vor allem für atonale Musik – und das schon sehr früh: «Im Jugendorchester Oberthurgau lernte ich zeitgenössische Musik kennen und spielen. Die Klangfarben und Möglichkeiten kamen mir so grenzenlos vor.»
In ihr wuchs der Wunsch, eigene Klänge zu suchen, innere Bilder durch Instrumente und Instrumentenkombinationen auszudrücken und so Energien freizusetzen. Schon als Maturaarbeit an der PMS Kreuzlingen komponierte sie ein Stück und Dieter Jordi, der auch im SMPV-Konzert mit einem Werk vertreten sein wird, war damals ihr Mentor. Dass jetzt ihrer beiden Werke im gleichen Konzert gespielt werden, ist für die junge Komponistin und Violonistin toll.
Von Klassik über Jazz bis zum Pop
Die Idee des Konzerts mit ausschliesslich zeitgenössischer Musik gefällt Barbara Hidber: «Zum einen, weil es immer gut tut, wenn man sich der zeitgenössischen Musik stellt. Und zum anderen ist zeitgenössische Musik nicht gleich zeitgenössische Musik. Was hier gezeigt wird, sind sehr unterschiedliche Werke. Das Konzert ist ein Abbild der Vielfalt», sagt Hidber.
Im Konzert gibt es Musik von Max Petersen, dessen Musik sich an der Grenze zwischen Jazz und Klassik bewegt. Oder Lieder von David Lang, die er selber singt und am Klavier begleitet. Oder elektronische Musik von Regina Irman. Auch sie hat als Dozentin einen Bezug zum Thurgau und gehört wohl zu den bekanntesten Schweizer Komponistinnen der Gegenwart. Man darf gespannt sein, ob es den Veranstaltern gelingt, dass sich die bunte Vielfalt der Werke am Ende zu einem Ganzen fügt – wie ein Mosaik.
Termin: Das Konzert beginnt am Freitag, 4. September, 19.30 Uhr, im Rathaussaal Frauenfeld. Der Eintritt ist frei. Herunterladen: Das gesamte Programm in der Übersicht gibt es in diesem PDF Programm Thurgauer Mosaik.pdf
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