von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 24.10.2018
Überraschend ungewöhnlich
Seit vielen Jahren ist die Konzertreihe „Klangreich“ in Romanshorn ein Ort für aussergewöhnliche Musik-Erlebnisse. Das neue Programm ist ein Statement dafür, dass das auch weiterhin so bleiben wird.
Wohin man auch blickt im Thurgau und auch der weiteren Schweiz - musikalische Reihen wie das „Klangreich“ in der Alten Kirche Romanshorn findet man nur selten. Nur wenige Veranstalter haben den Mut so ungewöhnlich und immer wieder überraschend zu programmieren wie das Christian Brühwiler in inzwischen 12. Jahr macht. Sein Motto dabei: „Unsere Konzerte sollen immer besonders und einmalig sein. Solche Momente kann man nicht reproduzieren, man muss sie erleben“, so Brühwiler im Gespräch mit thurgaukultur.ch
Inhaltlich ist „Klangreich“ immer auf der Suche nach neuen Entwicklungen oder anders gesagt, nach Musik, die Möglichkeiten zu Neuem eröffnet. Die Reihe will eben nicht nur junge Künstler fordern, sondern junge Ideen: „Mir geht es dabei nicht um das Alter der Interpreten, es geht um die Ideen der Musiker. Das ist entscheidend, wenn man stetige Weiterentwicklung und Veränderung will“, findet der Programmchef.
Die neue Saison steht unter dem Titel «Moments»
Erkennen kann man das auch am Programm der neuen Saison, die am Sonntag, 28. Oktober, unter dem recht offenen Motto „Moments“ startet. Insgesamt sechs Konzerte sind geplant und aus beinahe allen, kann man das Klangreich-Konzept herauslesen. Zum Beispiel bei einem der herausragenden Projekte der neuen Spielzeit: Am 3. März dreht sich alles um Franz Grillparzers Drama „Das goldende Vließ“. Der Theaterpädagoge, Komponist, Regisseur, Dirigent und Produzent Nikolaus Matthes hatte 2016 mit einer Schulklasse der Oberstufe Liestal eine Aufführung erarbeitet und dazu auch Musik für Gesangssolisten und zwei Barockorchester komponiert. Brühwiler war damals als Posaunist an dem Projekt beteiligt und fand nun, es wäre an der Zeit das Ganze mal im Thurgau zu zeigen.
Nun lädt Christian Brühwiler nicht einfach nur den Regisseur Nikolaus Matthes ein, sondern er gestaltet einen ganzen Thementag rund um die Inszenierung: Um 10.30 Uhr gibt es im Kino Roxy eine Einführung in das Werk samt Gespräch mit seinem Schöpfer Nikolaus Matthes. Zwischen 13 und 16 Uhr kann man die 3-stündige Dokumentation zum Projekt „Das goldende Vlies“ auf der Kinoleinwand anschauen. Und schliesslich am Abend gibt es in der Alten Kirche ein Konzert mit Musik aus dem Projekt. Mit dabei sind dann Daniel Perez (Bariton), Johanna Bartz (Traversflöte), Kerstin Kramp (Barockoboe) und Jermaine Sprosse (Cembalo & Hammerklavier).
Hier treffen auch Neue Musik und Volksmusik aufeinander
Nicht minder aufregend klingt ein Projekt, das auf den 10. Februar terminiert ist: Bei „Alb-Chehr“ von Heinz Holliger sollen Neue Musik und Volksmusik aufeinander treffen. Holligers Komposition von 1991 machte volkstümliche Klänge in der klassischen Musik Salonfähig. „Das Stück war auch Wegbereiter einer neuen urbanen Schweizer Volksmusik, deren Populärität noch immer zunimmt“, heisst es in dem Begleittext zur Veranstaltung. Das zeigt auch ein weiteres Anliegen von Christian Brühwiler. Ihm gehe es bei „Klangreich“ auch immer darum, „zwischen den Welten zu programmieren und Zugänge zur Musik von verschiedenen Seiten zu schaffen“.
Zum Auftakt der neuen Saison kommt am Sonntag, 28.Oktober, aber jetzt erstmal Chico Freemans Exotica Trio“. Freeman zählt zu den amerikanischen Saxophonisten der Nach-Coltrane-Ära. „Coltranes engste Verbündete, der Schlagzeuger Elvis Jones und der Pianist McCoy Tuner, förderten den jungen Chico Freeman entscheiden“, erklärt Christian Brühwiler. Das Trio wird komplettiert durch den Schweizer Reto Weber und den Schweden Svante Henryson. Noch so ein spannender Typ, der für den Crossover-Gedanken des Klangreich steht. Denn: In jungen Jahren spielte Henryson E-Bass in der Band des Rockgitarristen Yngwie Malmsteen, später wirkte er aber auch als musikalischer Leiter für die berühmte Mezzosopranistin Anne-Sofie von Otter. „In Skandinavien zählt Henryson zu den interessantesten und wichtigsten Grenzgängern zwischen populärer Musik, Jazz und Klassik“, sagt Veranstalter Brühwiler.
Zu entdecken gibt es also genug in der 12. Klangreich-Saison. Man muss sich nur trauen.
Das komplette «Klangreich»-Programm im Überblick
Sonntag, 27.Oktober, 17 Uhr: Chico Freeman Exotica Trio mit Chico Freeman (Saxophon), Svante Henryson (Violoncello) und Reto Weber (Perkussion)
Sonntag, 2. Dezember, 17 Uhr: „Un sacré imaginaire!“ mit Eric Longsworth (Cello, Arrangements, Komposition), Cédric Chatelain (Oboe & Englischhorn), Julie Campiche (Harfe)
Samstag, 29.Dezember, 19 Uhr: „Bach Meditation - eine Experiment mit Klang-Farben und Transparenz“ mit Maya Homburger (Barockvioline) und Barry Guy (Kontrabass)
Sonntag, 20. Januar, 17 Uhr: „Provenance“ mit Björn Meyer (Bassgitarre)
Sonntag, 10. Februar, 17 Uhr: Heinz Wolliger „Alb-Chehr & Schweizer Volksmusik“ mit dem Ensemble sCHpillit: Dani Mangisch (Sprecher), Rahel Cunz (Violine), Käthy Steuri (Kontrabass), Matthias Würsch (Hackbrett), Christoph Pfändler (Hackbrett), Sabine Gertschen (Klarinette), Domenic Janett (Klarinette), Ernst Rohrer (Akkordeon), Hermann Lehner (Akkordeon), Geischterchor unter der Leitung von Peter Siegwart
Sonntag, 3. März, ab 10.30 Uhr: Das goldene Vließ. Gespräch mit Regisseur und Komponist Nikolaus Matthes im Kino Roxy, ab 13 Uhr Film-Dokumentation des Projektes im Kino Roxy, ab 17 Uhr Konzert in der Alten Kirche mit Musik aus dem Theaterprojekt „Das goldene Vließ“ und barocken Werken aus der Zeit mit Daniel Perez (Bariton), Johanna Johanna Bartz (Traversflöte), Kerstin Kramp (Barockoboe) und Jermaine Sprosse (Cembalo & Hammerklavier)
Tickets kosten pro Konzert 25 Franken. Kinder & Jugendliche haben freien Eintritt. Reservationen für alle Konzerte der Reihe sind über die Internetseite www.klangreich.ch möglich oder direkt über diesen Link: http://tickez.yourticket.ch/a.php
Hintergrund: Zur Entstehung von Klangreich
Die Organisation von „Klangreich“ ist Christian Brühwiler 2007 angetragen worden. „Man hat mich gefragt, ob ich das nicht machen möchte“, erklärt Brühwiler im Gespräch. Er wollte. „Es ging mir darum, ein Programm zu machen, dass es bislang in der Region nicht gab: Auf einem klassischen Hintergrund sollte es eine Öffnung erlauben zu aktuellen Entwicklungen in der Musik“, beschreibt der Programmmacher die Anfänge. Die Reihe findet unter dem Dach der Gesellschaft für Literatur, Musik und Kunst Romanshorn statt. Finanziell stehe die Reihe solide da, sagt Christian Brühwiler. Sie trage sich aus Beiträgen von Stadt und Kanton, sowie über Mitgliedsbeiträge des Vereins, Eintrittsgelder und Sponsoren. Für seine Bemühungen um die Kultur und die Vermittlung von Kultur im Thurgau ist Christian Brühwiler im vergangenen Jahr mit dem Kulturpreis der Stadt Romanshorn ausgezeichnet worden.
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