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von Inka Grabowsky, 14.09.2020

Unverschämt liebevoll

Unverschämt liebevoll
Kliby und Caroline in Aktion | © Inka Grabowsky

Grosse Ohren, grosse Augen, flauschiges Fell: Bei ihrem Auftritt im Frauenfelder Bürgersaal zeigte Urs Klibys Puppe Caroline, warum sie einer der prominentesten Thurgauer Köpfe ist.

„Wir wollen mit unser Ausstellung zeigen, wie man ein Thurgauer Kopf wird“, sagt Kurator Dominik Streiff. „Und wenn man mit einem Augenzwinkern überlegt, welcher Thurgauer oder welche Thurgauerin heute international am bekanntesten ist, dann kommt man automatisch auf Caroline.“ 1981 war die Handpuppe bei der Show „Wetten, dass...?“ aufgetreten und kam über den Eurovisionsverbund auf alle Fernseh-Schirme in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Erfolg war überwältigend – und er wirkt bis heute nach.

Im Frauenfelder Rathaus haben sich neunzig Personen versammelt, die alle das Glück hatten, einen Platz für den Gratis-Show unter Pandemie-Bedingungen zu ergattern. „Einen Tag nach der Vorankündigung war alles ausgebucht“, sagt Cornelia Tannheimer von der Kommunikationsabteilung des Historischen Museums. „Wir mussten vielen Interessenten absagen.“ Im grossen Bürgersaal sitzen nun hübsch verteilt Kinder neben Eltern, Göttis und Grosseltern. Alle lachen, aber nicht immer an den gleichen Stellen.

Schnell ausgebucht: Der Auftritt von Urs Klibys Caroline lockte viele Menschen in den Frauenfelder Bürgersaal. Bild: Inka Grabowsky

Angepasstes Programm

Urs Kliby steht seit 46 Jahren auf der Bühne. „Am Tag genau vor genau 43 Jahren, am 10. September 1977, hatte ich mit Caroline den ersten Fernsehauftritt im Teleboy“, erzählt er. Spassigerweise bringt er in Frauenfeld einen der damaligen Dialoge. Caroline will wissen, wie gross Affen werden können. „Noch etwas grösser als ich“, sagt der Mensch. „Nein – einen grösseren Affen als dich gibt’s nicht.“  Der Erfolg der Pointe ist der gleiche wie vor vier Jahrzehnten: Das Publikum freut sich.

Video: Erster Auftritt Kliby und Caroline beim Teleboy 1977

Es wäre aber falsch anzunehmen, dass Kliby bei seinen Auftritten nur wiederholt, was er längst anderswo erprobt hat. Für jedes Publikum sucht er neue Schwerpunkte. Ausstellungskurator Streiff ist mit ihm durch das alte Zeughaus gegangen, um ihn mit Anregungen für den Abend zu versorgen.

Von den Koteletten der portraitierten Staatsmänner kommt Caroline nun nahtlos zu Koteletts in der Pfanne. Und von da ist der Weg zu Winterspeck und Frühlingsrollen nicht weit. „Ich war stolz, dass Caroline für die Thurgauer Köpfe ausgewählt wurde“, so der Kreuzlinger Künstler. „Eigentlich verbinde ich mit ‚Museum‘ uralte Dinge. Nun hat mich gefreut, dass auch Neuzeitliches Platz findet, und dass ich Teil davon sein darf.“

Zielgruppengerechte Ansprache

„Gerade hatte ich ein Engagement in einem Alterszentrum“, berichtet er nach der Show im Gespräch. „Ich bin vor Demenz-Patienten aufgetreten. Da darf man nicht mit Reaktionen auf Witze rechnen. Kaum jemand lacht. Aber Singen und Komplimente machen, das funktioniert immer.“

Während der Show verarbeitet der bald Siebzigjährige das Thema mit schwarzem Humor. „Er und seine Frau spielen zuhause immer Senioren-Memory“, lässt er Caroline sagen. „Sie gehen in den Keller, und wer sich zuerst daran erinnert, weshalb sie da unten sind, der hat gewonnen.“

Auf die Aufmerksamkeitsspanne von Kindern weiss er sich beim Auftritt in Frauenfeld ebenfalls einzustellen. „Man muss sie einbeziehen und beschäftigen“, sagt der Star. Er bittet nicht nur den jungen Mike als Duett-Partner für Caroline auf die Bühne, sondern schliesslich alle Kinder im grossen Bürgersaal. Während Caroline zur Freude der Erwachsenen sagt: „Herzig, die Schnudergofen“, ist der Bauchredner diplomatischer: „Wenn man Menschen von 4 bis 94 fast eine Stunde lang fesseln kann – das macht schon Spass“.

Ein Küsschen für Ausstellungs-Kurator Dominik Streiff. Bild: Inka Grabowsky

Der Weg zum Thurgauer Kopf

Und so hängen alle an seinen – nein, an Carolines Lippen, und warten auf die nächste liebevolle Frechheit. Die Eselspuppe gibt auf ihre eigene Art eine Antwort auf die grundlegende Frage, wie man ein Thurgauer Kopf wird: Die mediale Inszenierung, wie das Historische Museum argumentiert, ist nur einer der Schlüssel dazu.

Man braucht grosse Ohren, um zu hören, was bei Publikum ankommt. Man braucht grosse Augen, um zu sehen, über welche gesellschaftliche Entwicklung man sich lustig machen kann. Und man muss ungeheuer flauschig sein, damit einem niemand die Unverschämtheiten übelnimmt.

Die Sonderausstellung „Thurgauer Köpfe – Tot oder lebendig“ Alten Zeughaus Frauenfeld läuft noch bis zum 18. Oktober 2020 (dienstags bis sonntags, 13–17 Uhr. Eintritt frei). Die Erfolgsgeschichte von Kliby und Caroline wird dort ausführlich erzählt.

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