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Was für ein Theater!

Was für ein Theater!
"Die Dinge der Woche" sind der Blog des Thurgaukultur-Redaktionsleiters Michael Lünstroth | © Michael Lünstroth

An den Theatern St. Gallen und Konstanz kann man derzeit Schauspiele beobachten, die gar nicht auf der Bühne spielen. Anmerkungen zum Ringen zweier Kulturhäuser mit der Politik

Von Michael Lünstroth 

Das mit dem Theater war ja ursprünglich mal so gedacht: Auf der Bühne sind die Schauspielerinnen und Schauspieler und davor sitzt das Publikum und schaut zu. Die einen spielen etwas vor, die anderen lernen im besten Fall etwas daraus. Die Rollen sind in den vergangenen Jahren allerdings durcheinander geraten, weil es einerseits immer noch Regisseure gibt, die es irgendwie progressiv finden, die Handlung auch in den Zuschauerraum zu tragen (die Nähe!) und andererseits immer mehr Zuschauer in so genannten Bürgertheatern selbst zu Akteuren auf der Bühne werden (die Authentizität!). Das blieb nicht die einzige Grenzverwischung auf den Theaterbühnen in den vergangenen Jahren. Immer mal wieder wurde auch das, was eigentlich neben, hinter und abseits der Bühne stattfindet zum eigentlichen Schauspiel.

Das lässt sich gerade wunderbar in St. Gallen und Konstanz beobachten. Beide Häuser ringen aktuell mit Problemen, die eher weniger mit ihrer künstlerischen Leistung zu tun haben, aber viel mit ihrer Zukunft. In St. Gallen zum Beispiel ist die Frage der Sanierung des Hauses durchaus existenziell. Wird nicht zeitnah in das Theater investiert, wird man wohl dabei zuschauen können, wie das Gebäude sich selbst erledigt. Entscheiden muss die Sache schlussendlich das Volk. Am 4. März kommt das Kreditgesuch vor die Stimmbürger. 48,6 Millionen Franken soll das gesamte Projekt kosten. Vor allem an der Bausubstanz und der Haustechnik muss gearbeitet werden. Aber auch lange bekannte Platzprobleme sollen gelöst werden. Maskenräume, Künstlergarderoben und Werkstätten sollen angemessen erweitert werden. 2020 soll die Sanierung beginnen, das Theater würde für die Zeit des Umbaus in ein Provisorium ziehen.

Die SVP agiert in St. Gallen eher plump und unfair

Es sei denn, die SVP setzt sich doch noch durch mit ihrem Werben für eine Ablehnung des Kreditgesuchs. Die einstige Bauernpartei wählt dafür altbekannte Klischees wie unter anderem das Gegeneinanderausspielen von Stadt und Land. Sie nutzt zudem ähnliche Argumente wie in der No-Billag-Initiative. Dort sind es die verhassten Zwangsgebühren, das Theater nennen einige SVP-ler „zwangsfinanziert“. Dass die SVP dabei oft plump und selten fair vorgeht, hat das Kulturmagazin Saiten unlängst an einem Beispiel sehr hübsch durchexerziert.

Ein solches Ringen mit der Politik - das war in den vergangenen Jahren auch in Konstanz ein fast schon kafkaesk anmutendes Motiv der Wiederkehr des Immergleichen - ohne Ausweg. Mittlerweile ist es fast schon eine Nachricht, wenn Intendant Christoph Nix und die Stadtspitze um Oberbürgermeister Uli Burchardt und Kulturbürgermeister Andreas Osner mal nicht miteinander streiten. Aktuell geht es um die Nicht-Vertragsverlängerung von Nix. Der 63-Jährige hätte seinen noch bis 2020 laufenden Vertrag gerne um ein Jahr erweitert. Der Gemeinderat hatte das abgelehnt. Woraufhin der Streit erneut eskalierte. Am Donnerstag dieser Woche soll nun eine endgültige Entscheidung her. Wie es ausgehen wird, kann man, wie so oft in Konstanz, kaum vorhersagen. Alles läuft aber wohl auf einen Kompromiss heraus. Der sieht so aus, dass Nix 6 Monate länger bleiben darf (am 15. Februar 2021 wäre dann Schluss) und dafür die Projekte Baden-Württembergische Theatertage (Mai/Juni 2019) und Atlantis (September 2020) doch noch stattfinden.

Das Theater als ausserparlamentarische Opposition

Bei allen Querelen: Was Christoph Nix in Konstanz geleistet hat, ist beachtlich. Er hat dem Haus überregionale Aufmerksamkeit verschafft, er hat das Haus in der Stadt verankert wie wohl noch keiner vor ihm, die Zuschauerzahlen liegen regelmäßig über 100.000 pro Spielzeit. Künstlerisch bietet sein Haus solide Stadttheaterkunst mit mehr Ausreissern nach oben als nach unten. 

Besonders beeindruckend ist aber etwas ganz anderes. Bisweilen brachial hat Nix seinen Kurs verteidigt, hat sich dabei auch nicht von Muskelspielchen der Politik beeindrucken lassen. Manchmal hat er dafür die falschen Mittel gewählt, manchmal war er wohl auch ungerecht. Aber dass er das Theater zu einer quasi ausserparlamentarischen Opposition ausgebaut hat, ist bemerkenswert. Mit dem Schuss Hybris, der dazu gehört. Dass er sich selbst für die einzig wahre Opposition in der Stadt hält, kann man ein bisschen gockelhaft finden. Aber andererseits: In einer Stadt, in der der Oberbürgermeister versucht, seine Kritiker entweder mundtot zu machen oder sie so lange zu umschmeicheln bis sie seiner Meinung sind, ist irgendeine Form von Opposition ja auch was.

 

 

 

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