von Rolf Müller, 26.08.2014
Welches Schweizer Niveau?
Bald startet das 9. „generations“. Stimmen, die die Programmierung als konventionell und unpopulär bekritteln, entgegnet der Erfinder des Jazzfestivals kühl: „Wir bespielen internationales Parkett.“
Rolf Müller
Er echauffiere sich jetzt nur ein kleines bisschen, sagte „generations“-Erfinder Roman Schwaller gegen Ende der Medienorientierung zum Festival, das am 27. September 2014 startet. „Es gibt kein Schweizer Idiom eines ‚zeitgenössischen‘ Standards im Jazz. Und wenn, es würde von ‚generations‘ weder präsentiert – und schon gar nicht repräsentiert“, sagte er freundlich, aber mit Funkeln in den Augen. Der 57-jährige Leiter der Jazzschule am Konservatorium Wien und international gefragte Tenorsaxophonist verantwortet das „generations“ bereits seit der ersten Durchführung musikalisch.
In Jazz-Metropolen mehr geschätzt
Den Propheten im eigenen Land (und eigenen Kanton, dem Thurgau) ficht Binnenkritik nicht über Gebühr an. Aber sie regt ihn auf. Das „generations“ werde zuweilen in Metropolen des Jazz wie New York eben mehr wahrgenommen als hierzulande. Was möglicherweise damit zu tun habe, dass das Festival nach acht erfolgreichen Durchführungen seit 1998 etwas selbstverständlich geworden sei, ergänzte OK-Präsident Robert Fürer. So sei es noch nie so anspruchsvoll gewesen, die Mittel für das neue Festival (Budget: 350‘000 Franken) aufzutreiben. Von einer Sättigung mochte er jedoch nicht sprechen. Und auch an der Unterstützung, etwa durch den Kanton Thurgau und die Stadt Frauenfeld, mangle es nicht.
Eine Art Alchemie
Jedenfalls: Das Programm 2014 steht, und es verspricht auch in der neunten Auflage nicht vornehmlich Noten, sondern Sound. Ein originärer Sound, der entsteht, wenn professionelle Musiker aufeinander treffen, die allenfalls zuvor voneinander gehört haben – und dann in Frauenfeld auf hohem Niveau spontan zusammen jammen. Eine Art von Alchemie, die nur dann entsteht, wenn das Setting stimmt.
Und zweifellos ist es Schwaller, dem Chemiker, mit seinen internationalen Kontakten wiederum gelungen, Künstler zu buchen, die die Frauenfelder Innenstadt „für acht Tage in ein kleines Greenwich Village verwandeln“, wie es in den Unterlagen schön heisst. Bekannte Grössen treffen auf ambitionierte Nachwuchstalente, junge und alte Persönlichkeiten werfen sich musikalisch die Bälle zu: generationenübergreifende Spielfreude, die auf und vor der Bühne begeistert.
Bewährte drei Standbeine
Schwallers persönliche Beziehungen machen es in der Regel möglich, dass die Künstler nicht über Agenturen in einem Package gebucht werden müssen, sondern individuell und aus eigenem Interesse anreisen. Geblieben sind die drei Standbeine des Festivals: Neben den grossen Hauptkonzerten und den Clubevents wird auch dieses Jahr wieder eine Masterclass geführt. Ausgeschrieben für 25 Teilnehmende, wird sie wegen der strengen Qualitätskriterien heuer nur 23 Absolventen aufweisen.
Pepe Lienhard im Patronatskomitee
Im aktuellen Patronatskomitee vertreten ist dieses Jahr der Hausherr der Medienkonferenz, der Bandleader Pepe Lienhard. Lange Jahre war das „generations“ der einzige Grund für ihn, nach Frauenfeld zu fahren. Jetzt wohnt er in der Nähe des Schaffhauser Kreisels und unterstützt den Event, der ihm wichtig ist, gern. „Mein Herz schlägt seit jeher für den Jazz“, sagte er und bezeichnete sich selbst bescheiden als „Unterhaltungsmusiker“.
Die Professionalität der Teilnehmenden am „generations“ erklärte er mit einer Analogie: „Kürzlich spielte ich mit meiner Big Band in St. Moritz. Der Leadtrompeter war verhindert. Für ihn sprang ein Musiker aus der WDR-Big-Band ein. Der verfügte vorab über keinerlei Noten, aber solierte den ganzen Abend freihändig und ohne einen einzigen falschen Ton. Dieses Format haben die Musiker am Jazzfestival hier alle.“
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Weitere Informationen
Alles zum "generations"-Programm - Brütschs Jazz-Agenda vom 26.8.2014
Alle Events hier:
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