von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 08.08.2017
Zwischen Heimat und Welt
Ran ans Leben, ran an die Menschen. Das ist das Motto des Transitorischen Museums in Pfyn. Was das bedeutet kann man bei der aktuellen Sommerausstellung erleben
Wer das Transitorische Museum in Pfyn sucht, der muss ein bisschen findig sein. Das Museum ist mehr Idee denn geografischer Ort, es entsteht immer wieder neu in den Köpfen der Macher und den Gedanken der Besucher. 2006 haben die beiden Künstler Alex Meszmer und Reto Müller das Konzept kreiert. Der Begriff „transitorisch“ gefiel ihnen, weil er klar machen sollte, dass es sich bei dem Museum nur um etwas Vorübergehendes handelt. Dass es das Museum 11 Jahre nach Gründung immer noch geben würde, hatten sie ursprünglich eigentlich nicht geplant. Ziel war es damals einen Ort zu schaffen, der Wissen vermittelt und Geschichte(n) lebendig werden lässt. Und auch an die Historie von Pfyn anknüpft. „Das Transitorische Museum lebt und hinterfragt Geschichte parallel zu seiner eigenen Entstehung und involviert die Menschen in einen Geschichtsprozess“, beschreibt Alex Meszmer den Zweck des Museums.
Dazu haben sie vor allem eines gemacht - mit den Menschen in Pfyn gesprochen und ihre Geschichten in Video-Interviews dokumentiert. Das ist das Herz von zeitgarten.ch, der Plattform mit der Meszmer und Müller auch das Museum betreiben. Zu diesen Interviews gesellen sich immer wieder unterschiedlichen Formen: Gesprächsreihen, zeitgenössische Kunst, Ausstellungen archäologischer Funde aus der Region. Denn auch das war ein Grund für die Einrichtung des Museums - seit dem das Dorfmuseum Ende der 1980er Jahre geschlossen wurde, fehlte ein Ort, um die Funde aus den archäologischen Grabungen zu zeigen. Und dabei hat ja gerade da Pfyn einiges zu bieten: 1944 wurde die Pfahlbausiedlung Pfyn Breitenloo von internierten polnischen Soldaten unter der Leitung von Karl Keller-Tarnuzzer grossflächig ausgegraben. Sämtliche Exponate waren nach der Schliessung des Dorfmuseums ins Museum für Archäologie nach Frauenfeld gewandert. Inzwischen kooperieren beide Museen miteinander.
Die Archäologie als Vorbild für die Künstler
Und so kombiniert auch die neue Sommerausstellung „Wie wir leben“ (zu sehen vom 11. bis 13. August, 14 bis 19 Uhr) archäologische Funde mit der Geschichte des Dorfes und dem Leben der Menschen vor Ort. „In der Form orientiert sich die Ausstellung am alten Pfyner Museum im Schulhaus und integriert Teile aus der digitalen Sammlung“, erklärt Alex Meszmer. Die Sammlung in der Trotte (dort sind auch die Überreste der alten römischen Stadtmauer zu sehen) war auch schon in die Jahre gekommen und wurde nun neu gestaltet von Meszmer und Müller. Alles steht jetzt unter der Frage: Wie hat man in und um Pfyn zu verschiedenen Zeiten gelebt?
Zu sehen gibt es dazu unter anderem Fotos und Funde aus dem Pfyner Alltag kombiniert mit zum Beispiel Überresten eines Hirsches aus der Steinzeit, verschiedenen Beilen, Werkzeugen und Pfeilspitzen. In zwei Rollvitrinen wird Geschichte auch anfassbar - einzelne archäologische Funde kann man selbst in die Hand nehmen, anfühlen und so ein ein bisschen spüren, wie das Leben vor Jahrhunderten und Jahrtausenden gewesen sein könnte.
art-tv.ch hat 2011 einen Beitrag über das Museum gedreht
Die Nähe zur Archäologie suchen die beiden Künstler nicht zufällig. „Für uns ist die Archäologie mit ihren Bemühungen um die Rekonstruktion des Alltags auch ganz normaler Leute ein Vorbild“, sagt Meszmer. Damit fühlen sie sich auch wohler als mit all den verschwurbelten und akademischen Höhenflügen zeitgenössischer Kunst. „Ich sehe jedenfalls keinen Reiz in dieser Elitisierung der Kunst“, sagt Meszmer, der auch im Zentralvorstand des Künstlerverbandes Visarte sitzt. Meszmer und Müller verfolgen einen gänzlich anderen Ansatz, sie wollen die Kunst und das Leben zusammenbringen und dabei auch immer die Frage stellen, wie ein Objekt Bedeutung bekommt und wer ihm diese Bedeutung zuschreibt.
Ist das Transitorische Museum also nicht eigentlich nur ein Heimatmuseum? Alex Meszmer muss lachen, als er das hört. „Das haben am Anfang auch viele gesagt und wir fanden das nicht angemessen. Aber inzwischen gefällt uns die Beschreibung eigentlich ganz gut.“
Termine: Die Ausstellung "Wie wir leben" ist noch vom 11. bis 13. August 2017, jeweils zwischen 14 und 19 Uhr, zu sehen oder nach Vereinbarung per Mail info@zeitgarten.ch
Weitere Beiträge von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter
- Konstanz, wir müssen reden! (26.05.2023)
- Die verlorene Ehre eines Bauern (25.05.2023)
- Zehnmal Zeit für Entdeckungen (17.05.2023)
- Wie wir uns weiter entwickelt haben (01.05.2023)
- Das 127-Millionen-Paket (02.05.2023)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Wissen
Kommt vor in diesen Interessen
- Vorschau
- Geschichte
Kulturplatz-Einträge
Ähnliche Beiträge
Säbel, Degen und Bajonette locken ins Museumsdepot
Am 10. Mai gibt es die seltene Gelegenheit, eine Schatzkammer zu betreten. Waffen- und Militärhistoriker Jürg A. Meier führt durch einen Teil der Depotsammlung des Historischen Museums Thurgau. mehr
Imagekampagne für einen grünen Fürsten
Das Napoleonmuseum auf dem Arenenberg widmet Kaiser Napolèon III. eine Sonderausstellung zu seiner Rolle als Landschafts- und Stadtbild-Gestalter. mehr
Mehr als 500 Jahre Gartengeschichte
Ganz schön grün hier: Das Ittinger Museum stellt mit einer neuen Ausstellung die Gärten der Kartause in den Mittelpunkt. mehr