von Brigitta Hochuli, 20.07.2016
20‘000 Franken für Scala-Projekt
Ende Jahr schliesst in Konstanz das Arthouse-Kino Scala. Ein Film will nun die letzten Monate des 1938 eröffneten Betriebs dokumentieren und mit Schweizer Beteiligung Fragen zur kulturellen Verödung von Stadt und Region stellen.
Brigitta Hochuli
Zur Finanzierung des „Scala-Projekts“ von Regisseur und Produzent Douglas Wolfsperger tragen aus der Schweiz bis jetzt die Stadt Kreuzlingen mit 3500 Franken und der Kanton Thurgau 20‘000 Franken aus dem Lotteriefonds bei. Letztere hat der Regierungsrat Ende Mai bewilligt. 2500 Euro hat das Konstanzer Kulturbüro gesprochen. Ein Zuschuss der Stadt Konstanz in der Höhe von 35‘900 Euro steht laut Auskunft des Presserefenten Walter Rügert am 26. Juli auf der Tagesordnung des Gesamtgemeinderats. Die Schliessung des Scala Filmpalastes hat in Konstanz hohe Wellen geworfen, ist aber beschlossene Sache. Ende Jahr ist Schluss. Ins 1937 erbaute Haus an der Marktstätte 22 soll ein Drogeriemarkt einziehen.
„Kino statt Klopapier“. Video vom 11. April 2016 unter anderem mit Theaterintendant Christoph Nix:
Der geplante Dokumentarfilm will „die letzten Monate des einzigen Programmkinos in der Region zeigen, Fragen zur kulturellen Verödung in der Gegend aufwerfen und dabei vor allem das Verhältnis zwischen Konstanz und dem Thurgau beleuchten“. Das findet auch die Chefin des Kulturamts des Kantons Thurgau, Martha Monstein, interessant. Abgesehen von der Tatsache, dass Regisseur Douglas Wolfsperger teilweise in Kreuzlingen wohne, schaffe der Film viele Bezüge zum Kanton, erklärt sie das finanzielle Engagement. Ausserdem beleuchte er ein Thema, das „ortsunabhängig relevant“ sei. So zum Beispiel den Einkaufstourismus aus der Schweiz. Für viele Thurgauer sei das Scala mit seinen Arthousefilmen eine wichtige Nische „weit und breit“ gewesen. Das Filmdrehbuch sei sehr gut, und die Protagonisten stammten nicht nur aus Konstanz.
Einkaufstourismus mitverantwortlich?
Martha Monstein spricht an, was der Projektbeschrieb vertieft: Das Herzstück des Films sollen die Stammbesucher von dies- und jenseits der Grenze sein. „Da ist die Psychiatriepflegerin aus Münsterlingen, die schon einmal eine Beziehung beendet hat, weil ihr Partner ihre Liebe zu Arthousefilmen nicht teilen konnte.“ Da sei der pensionierte Lehrer aus Kreuzlingen, der klare Worte finde für den austauschbaren Kommerz, dem die Seelennahrung guter Filme zum Opfer falle. Es solle ein Porträt der Menschen entstehen, die die Stadt Konstanz und die Bodenseeregion prägten.
Gleichzeitig werde die besondere Lage der Grenzstadt Konstanz beleuchtet, die vielerorts in erster Linie als Shoppingparadies für die benachbarte Schweiz bekannt sei. Der Film will auch der Frage nachgehen, „inwieweit dieser Einfluss aus der Schweiz mitverantwortlich ist für die Schliessung des Kinos, und wie die Stadt von offizieller Seite damit umgeht, dass sie nach und nach kommerzialisiert wird.“ Beleuchtet werden soll auch der Umstand, dass eine Auswahl von Arthousefilmen in Zukunft im Konstanzer Cineplex-Kino ausgerechnet in einer Shopping-Mall gezeigt werden sollen.
Spendenaufruf
Die Gesamtproduktionskosten des Films sind gemäss Martha Monstein auf 320‘000 Franken veranschlagt; er soll 2017 fertiggestellt sein. Zwar hat das Projekt prominente Unterstützung etwa durch Schauspielerin Eva Mattes („Bodensee-Tatort“), doch die Finanzierung ist längst nicht gesichert. Das ist auch der Grund, warum sich Ruth Woelpert von der Douglas Wolfsperger Filmproduktion „Wilder Süden Filmverleih“ an die Redaktion von thurgaukultur.ch gewandt hat.
Auf 60‘000 Euro habe man die Drehkosten bereits gedrückt, heisst es auf der Homepage. Die Finanzierung sei aber bis jetzt nur zur Hälfte gesichert. Man hoffe, rasch mit den Dreharbeiten fortfahren zu können, um die Zeit bis zur Schliessung des „Scala“ nutzen zu können. Dafür benötige man innerhalb kurzer Zeit mindestens weitere 30‘000 Euro. Danach kämen für die Postproduktion weitere Kosten im fünfstelligen Bereich hinzu, wofür erst nach Ende der Dreharbeiten Fördergelder beantragt werden könnten. Deshalb müsse improvisiert werden und sei auf Spender und Sponsoren angewiesen. Näheres dazu findet sich hier.
„Hört auf zu jammern!“
„Wie stehen die zahlreichen Schweizer Kinobesucher, denen das Scala spätestens mit der Schliessung der letzten Programmkinos in Kreuzlingen zur intellektuellen Heimat geworden ist, zu den aktuellen Ereignissen?“, will Filmregisseur Douglas Wolfsperger wissen.
Die Frage hat das Gratisblatt „Kreuzlinger Nachrichten“ in einem Artikel unter dem Titel „Traumfabriken in Kreuzlingen“ über die früheren Kinos der Stadt Kreuzlingen aufgenommen, insbesondere das „Bodan“ und das „Apollo“, das von aussen heute noch als Kino erkennbar ist: „Cinephile Fantasieköpfe“ spielten mit dem Gedanken, die Kreuzlinger Filmtradition wiederzubeleben, so das Blatt.
Einen etwas weiteren Blick auf die Region hat der gebürtige Konstanzer Ekkehard Faude, Verleger aus Lengwil und als junger Mann von der „Kinomania“ befallen. Einst - vor dem Umbau in den 70er Jahren - sei das „Scala“ ein „Filmpalast“ gewesen: „Grosser Saal, gereffte Vorhänge schoben sich aufwärts, wenn die Glühbirnen in floralen Sträussen an der drapierten Seitenwand langsam verlöschten“, schrieb er auf Facebook. Auf Nachfrage ergänzt er, man würde die 20‘000 Franken des Kantons Thurgau besser als Grundstock für eine Initiative zur Wiederbelebung des alten Kreuzlinger Kinogebäudes Apollo einsetzen. Im Übrigen „hört auf zu jammern, es gibt zwei gut erreichbare Programmkinos in der Region, nämlich in Frauenfeld und Romanshorn!“ (ho)
Douglas WolfspergerDer Regisseur und Produzent Douglas Wolfsperger ist in Zürich geboren, unter anderem in Kreuzlingen aufgewachsen und lebt derzeit in Kreuzlingen und Berlin. Sein bisheriges professionelles Filmschaffen wurde unter anderen mit dem bayerischen Filmpreis und der Nominierung für den deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Schauplatz seiner Filme ist häufig die Bodenseeregion. (pd) |
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