von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 11.08.2022
Allein im Museum
Die Kunsthistorikerin Yvonne Istas war die erste bezahlte Leiterin des Kreuzlinger Museum Rosenegg. Jetzt verlässt sie das Haus früher als geplant. Das liegt auch an den Strukturen. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Als Yvonne Istas 2017 ihren Job als Museumsleiterin im Kreuzlinger Rosenegg antrat, da war sie noch zuversichtlich: Sie könne sich vorstellen bis zur Pensionierung in Kreuzlingen zu bleiben, sagte sie damals im Gespräch mit thurgaukultur.ch
In den Zauber des Anfangs mischten sich irgendwann allerdings erst die Mühen des Alltags - und dann die Corona-Pandemie.
Nun zieht es die 57-jährige Kunsthistorikerin (sie promovierte an der Universität Freiburg über Theaterbau) nach fünf Jahren in Kreuzlingen weiter, der 19. August wird ihr letzter offizieller Arbeitstag im Museum Rosenegg sein. Ab Oktober übernimmt sie die Leitung des Hermann-Hesse-Hauses in Gaienhofen auf der Höri.
„Ich bin der Versuchung erlegen, nochmal etwas Neues auszuprobieren.“
Yvonne Istas, scheidende Leiterin des Museum Rosenegg (Bild: Michael Lünstroth)
„Ich bin der Versuchung erlegen, nochmal etwas Neues auszuprobieren“, sagt Yvonne Istas, wenn man sie nach den Gründen für ihren Jobwechsel fragt. 18 Ausstellungen hat sie in ihren fünf Jahren im Rosenegg auf die Beine gestellt. Thematisch hat sie versucht, das Haus zwischen Kunst, Zeitgeschichte und Historie zu positionieren.
Ein Stilmix, der ihr wichtig war, weil „das Museum auch von einer gewissen Vielfalt lebt“, sagt Istas. Digitale Vermittlungsformate sind hingegen nicht so ihr Herzensthema. Sie glaubt eher an das Museum als ein Ort der physischen Begegnung und Auseinandersetzung. Entsprechend richtete sie die Rosenegg aus.
Als Yvonne Istas aus Stockach (dort führte sie das Stadtmuseum) an den Bodensee kam, war das auch ein Neubeginn für das Museum Rosenegg. Jahrzehntelang hatte Heidi Hofstetter das Museum ehrenamtlich geleitet, Istas war die erste hauptamtliche Leiterin der Rosenegg. Das wurde möglich, weil die Stadt Kreuzlingen die Strukturen der Museen modernisierte und sie in professionelle Kulturbetriebe überführen wollte. Nach der Zustimmung des Volkes gab es dafür mehr Geld und bezahltes Personal in den Leitungspositionen.
Gar nicht so einfach, ein Museum zu verändern
Was man damals vielleicht nicht so bedachte - die Transformation eines ehrenamtlich geführten Hauses in ein hauptamtlich geführtes Museum ist eine ziemliche Herausforderung.
Die Rosenegg brauchte neue Strukturen. Abläufe waren nicht definiert, Bestände nicht aktualisiert, Istas musste manches neu aufbauen. Schlicht, weil es vorher nicht so dringlich war: Heidi Hofstetter wusste nach jahrzehntelanger Tätigkeit im Museum einfach, wo sie was suchen musste.
Da dieses Wissen aber kaum systematisch erfasst war, musste sich Yvonne Istas erstmal einen Überblick verschaffen. Statt der erhofften inhaltlichen und kuratorischen Arbeit stürzte sie sich in die Ordnung der Verwaltung eines Museumsbetriebs. „Das frisst einen irgendwann auf. Mir fehlte zunehmend die Zeit, Ausstellungen zu kuratieren“, sagt die scheidende Museumsleiterin. Dabei war genau das ein wesentlicher Grund, weshalb sie sich 2017 für einen Neuanfang in Kreuzlingen entschieden hatte.
Video: Yvonne Istas' letzte Ausstellung in Kreuzlingen
Die Last der Administration vertrieb die Lust an der Gestaltung
Und dann kam auch noch Corona: „Die Pandemie hat mich und meine Vorstellungen von der Museumsarbeit hier aus dem Tritt gebracht“, blickt sie zurück. Plötzlich waren da keine Besucher:innen mehr. „Eine seltsame Zeit“, erinnert sich Istas.
Eine Zeit, in der sie sich manchmal auch einsam gefühlt habe in dem grossen Haus an der Bärenstrasse, sagt sie offen. Der inhaltliche Austausch mit Kolleg:innen habe gefehlt. Vielleicht waren es auch diese Momente, in denen ihr das Haus ein bisschen fremd wurde.
Für die Stadt Kreuzlingen dürfte das jedenfalls ein Indiz dafür sein, dass die Strukturen noch nicht optimal sind. „Als Museumsleiterin hätte ich mir jedenfalls mehr Unterstützung in der Administration gewünscht“, gibt Yvonne Istas einen Hinweis auf mögliche Anpassungen.
Wenn sie sich nun aus Kreuzlingen verabschiedet, gehe das trotz allem nicht ohne Wehmut, gibt Istas zu: „Je näher der Abschied rückt, um so trauriger werde ich.“
„Ich glaube, die Rosenegg ist heute bekannter als vor fünf Jahren.“
Yvonne Istas, Kunsthistorikerin
Denn bei aller Unzufriedenheit mit den Strukturen: Das Haus sei doch auch ein Stück voran gekommen in den vergangenen fünf Jahren: „Wir haben spannende Ausstellungen gezeigt, die Besucher:innen-Zahlen gehalten (im Schnitt ca. 5000 pro Jahr, d. Red.), den Brückenschlag über die Grenze immer wieder gewagt, einen Newsletter lanciert, die Bestände inventarisiert und insgesamt eine aktivere Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Ich glaube, die Rosenegg ist heute bekannter als vor fünf Jahren“, sagt Istas.
Istas neuer Job? Auch nicht einfach
Für die 57-Jährige geht die Reise nun weiter. Sie habe nicht aktiv nach einer beruflichen Veränderung gesucht, die Gelegenheit habe sich vielmehr ergeben, sagt Istas. Ab Oktober übernimmt Yvonne Istas die Leitung des Hermann-Hesse-Hauses in Gaienhofen. Auch kein leichter Job. Ihre Vorgängerin Ute Hübner hatte dort nach 20 Jahren hingeschmissen - wegen mangelnder Wertschätzung und Kürzungen in ihrem Budget durch die Gemeinde.
Yvonne Istas will sich davon nicht abschrecken lassen: „Ich hatte ein gutes Gespräch mit dem dortigen Bürgermeister und dem Hauptamtsleiter. Wir werden das sicher gut hinbekommen. Ich freue mich besonders darauf, dass ich nun auch im literarischen Kontext arbeiten kann.“
Und eine Lehre aus Kreuzlingen nimmt sie mit auf die Höri: „An ein Museum haben viele Menschen Interessen und Ansprüche. Alle gleichermassen zufrieden zu stellen, ist kaum möglich.“
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