von Brigitta Hochuli, 22.06.2011
Die Weltsicht des Güttinger Bauernsohns Ueli Vogt
Im Herbst wird Ueli Vogt Kurator der Teufener Grubenmann Sammlung. Seine Thurgauer Prägung nutzt er für seinen Blick auf rätselhafte Widersrpüche aller Art.
Brigitta Hochuli
Der 46jährige Ueli Vogt ist Güttinger Bauernsohn, von Beruf Gärtner und Architekt und bis Ende Monat Leiter des Werkstoffarchivs Sitterwerk in St. Gallen. Im Herbst wird er Kurator der Grubenmann Sammlung und ab 2012 Leiter des neuen Zentrums für Bauen und Kultur im dannzumal renovierten Zeughaus in Teufen. Hans Ulrich Grubenmann war vor 250 Jahren Ausserrhoder Kirchen- und Brückenbauer. Im Sitterwerk ist zurzeit die Ausstellung des indischen Handwerkerkollektivs Studio Mumbai zu sehen.
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Herr Vogt, Sie haben in einem Zeitungsinterview eine ungewöhnliche These aufgestellt. Nämlich, dass Ästhetik grundsätzlich von der Leistung abhänge, die zum Beispiel ein Bauwerk oder eine Kuh erbringe. Kann man diese These auch auf die Kunst übertragen?
Ueli Vogt: Ich glaube, das lässt sich nicht so direkt auf die Kunst übertragen. Die Kunst hilft, solche Phänomene zu erkennen und zu erforschen. So scheint mir Kunst eine gute Möglichkeit, um die Antworten auf schwierige Fragen zu erhalten oder zumindest gewisse Lösungsansätze abzuleiten und somit die Welt zu verstehen - und die ist ja doch sehr geheimnissvoll, rätselhaft und vielleicht darum so phantastisch. Ein weiteres Mittel zum Weltverstehen scheint mir übrigens auch der Humor zu sein.
Sie sind ein Güttinger Bauernsohn, von Beruf Gärtner und Architekt und wechseln nun vom Sitterwerk in St. Gallen zur Grubenmann Sammlung in Teufen. Gibt es eine Verbindung vom Bauernsohn zur Kultur?
Ueli Vogt: Der Bauernsohn beschreibt die Herkunft, die Kultur meine Interessen. Bijoy Jain, der Gründer des Studio Mumbai, ein Handwerker-Architektenkollektiv aus Indien, das an der Architektur-Biennale in Venedig Aufsehen erregt hat, spricht davon, dass die vorhandenen Potenziale zu nutzen seien und so nutze ich meine Herkunft, um in die Welt zu schauen. Ich kann nur aus diesem Fundament heraus schauen. Jede und jeder hat seine eigenen Hintergründe - und soll die nutzen.
Die Thurgauer Herkunft geht dabei aber nicht vergessen?
Ueli Vogt: Nein. Meine Eltern leben immer noch auf dem Bauernhof, die Familie meines Bruders betreibt mit viel Fleiss weiterhin den elterlichen Betrieb und deren Sohn, mein Patenkind, erlernt ebenfalls den Beruf des Landwirts. Also eine fast kitschig harmonische Geschichte, aber daraus lässt sich gut eine eigene Weltsicht entwickeln. Und der Widerspruch zwischen der gefühlten und stark identitätsstiftenden Bedeutung des Bauernstandes und der nur noch geringen Anzahl davon lebender Landwirte - es sind deren weniger als es Arbeitslose gibt - interessiert mich, denn generell interessieren mich Gegensätze und Widersprüche.
Sie waren in den Jahren nach 2005 als Co-Kurator im Eisenwerk in Frauenfeld tätig, sind auch immer an den Ittinger Pfingstkonzerten als Helfer anzutreffen. Haben Sie eigentlich kein Heimweh nach dem Thurgau und dem Bodensee?
Ueli Vogt: Wieso Heimweh? Der Thurgau liegt ja nahe und ich bin oft dort, habe nebst Familie auch viele Freunde dort. Nach vielen Innenansichten nun von etwas weiter her schauen ist für mich im Moment reizvoll.
Und der See?
Ueli Vogt: Zum Bodensee hatte ich nie ein besonderes Verhältnis, ausser dass er eine Grenze bildet und ein See wunderbare Widersprüche in sich birgt: Er grenzt ab, ist aber auch etwas vom Übersichtlichsten, und es lässt sich jeder Punkt mit jedem unmittelbar verbinden, wenn man ein Schiff hat oder schwimmen kann - worin ich jedoch sehr schlecht bin, denn ich war immer eher der Waldbub, und Wälder gibt‘s ja fast überall.
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