von Judith Schuck, 23.09.2022
Ein Schloss für alle
Die Schlossentrümpelung hat sich gelohnt: In Egnach schlummerte lange Zeit ein Bijou. Die völlig verwilderte und verwahrloste Luxburg wird Dank Fronarbeit wieder zum Leben erweckt. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Der Zugang zum Schlösschen Luxburg in Egnach ist nicht ganz einfach zu finden. Inmitten einer 60er Jahre-Wohnsiedlung scheint das Ziel nahe. Die Strasse zweigt sich auf in die Luxburgstrasse und den Schlossweg. Völlig eingebaut von Häusern schimmert da ein kleines Schlösschen durchs Gebüsch. Ein fürstliches, in die Jahre gekommenes schmiedeeisernes Tor gibt Hoffnung, am Ziel angekommen zu sein; doch ist es verschlossen, weniger fürstlich, provisorisch, mit Ketten und Hängeschloss.
Sonnenhut und Wilderdbeeren statt Hortensien
Wenn nicht Luxburgstrasse, dann Schlossweg. Und endlich ein weiteres Tor. Als hölzernen Lettern ist Luxburg daraufgenagelt. Dieses Tor erinnert an den Zutritt zu einem Wagenplatz oder Zirkus, weniger zu einem Schloss, aber da steht es nun: klein und prächtig liegt die Luxburg in einem verwunschenen Park. Gelber Sonnenhut blüht vor den grauen Mauern, in alte Sammeltassen sind liebevoll Walderdbeerableger gepflanzt worden und auf einem alten Steinwasserbecken aufgereiht. Das sieht nach Herzblut aus, nicht professioneller Gartengestaltung.
Kanone im Gebüsch versteckt
Stephan Tobler ist im Mai 2022 in den Ruhestand gegangen. Bis dahin war er Gemeindepräsident von Egnach. 2019 kontaktierte die Witwe vom 2018 verstorbenen Bruno Stefanini die Gemeinde, ob sie das Schlösschen kaufen wolle. Immobilienmogul Stefanini besass neben der Luxburg noch drei weitere Anwesen, darunter Schloss Salenstein. 1971 kaufte er die Luxburg, 1980 übertrug er sie an seine Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, die eine der bedeutensten Kunstsammlungen der Schweiz beherbergt.
„Als wir das erste Mal in den Schlosspark eintraten, war alles voller Skulpturen“, erinnert sich Stephan Tobler, der sich für den Erhalt des Schlosses einsetzt. Ganz unten im Gebüsch versteckt sich immer noch etwas Rostiges; es ist eine Kanone. „Sie wurde zwischen 1938 und 1967 von der Schweizer Armee eingesetzt“, weiss Tobler. Stefanini sammelte nicht nur Kunstwerke von Ferdinand Hodler oder Felix Valloton, sondern auch Waffen.
Finger weg vom Schloss!
Das Schloss selbst sei 2019 völlig eingewachsen gewesen, der Garten zugewuchert und auch in den Innenräumen alles vollgestopft mit altem Zeugs. „Einige sagten damals, ,lasst die Finger davon!´“, erzählt der damalige Gemeindepräsident. Doch gab es auch einige Seelen, die ihr Herz bereits an das Objekt verloren hatten. Der Gemeinderat setzte eine Arbeitsgruppe ein, die prüfen sollte, ob das Schloss durch eine Trägerschaft erworben werde könne. Die Gemeinde selbst wollte das Anwesen, das immer wieder von Pleitegeiern erworben wurde und verwahrloste, nicht kaufen.
„Eigentlich müsste man so etwas von einer Stiftung gratis übernehmen.“
Stephan Tobler
Es kommt zur Gründung einer Interessengemeinschaft, der IG Schloss Luxburg. Am 31. Oktober 2021 erwirbt die IG die Luxburg für 1,5 Millionen Franken, was für ein Schloss zunächst nach nicht viel klingt. „Eigentlich müsste man so etwas von einer Stiftung gratis übernehmen“, findet hingegen Tobler.
Nachhaltige, gemeinnützige Bewirtschaftung geplant
Das Architekturbüro Bötschi in Romanshorn begleitete das Projekt und erarbietete einen ersten Plan für eine sanfte Renovation. Dieter Bötschi war ehemaliger Gemeinderat in Egnach. Die meisten der freiwilligen Helfer:innen kommen aus Egnach und Umgebung und sehen das Projekt als Herzensangelegeheit. Um auf festen Beinen zu stehen, änderte die IG ihre Organisation in eine Aktiengesellschaft, Verein und Stiftung mit jeweils fest zugeteilten Aufgabenfeldern. Am 24. Januar 2022 wird die Luxburg an die Aktiengesellschaft überschrieben. Die Idee ist nun, das Schlösschen nachhaltig und gemeinnützig zu nutzen. Nach einer ersten Ausarbeitung soll hier ein Boutique-Hotel entstehen, die Säle könnten für Seminare und Kulturanlässe gemietet werden und im unteren Bereich wir bereits hin und wieder eine kleine Gastronomie betrieben.
Vom Presswerk abgeschaut
Finanziell dürften sich die Arbeiten auf 7.7 Millionen Franken belaufen. Um diese Vision stemmen zu können, sucht die Trägerschaft nun Gönner:innen und Unterstützer:innen. Dass Aktiengesellschaft und Stiftung die Eigentümer der Luxburg bilden, ist ein Ansatz, den sie von dem Arboner Presswerk kennen. „Dort haben sie ein ähnliches System“, sagt Tobler. In den ehemaligen Industriehallen werden heute Kulturanlässe veranstaltet, es gibt eine Gastronomie und die Musikschule ist in den Komplex integriert.
Auf der Homepage des Schloss Luxburg ist die Vision der IG durch einen Designer bereits visualisiert worden. Bis dahin ist noch ein langer Weg und auf Grund der hohen Kosten soll die Renovation in Etappen erfolgen. Schon jetzt wird das Schlösschen aber zwischengenutzt. Seit Juli finden regelmässig Führungen statt, bei denen der Verein geradezu überrannt wird. „Wir haben mit 50 bis 100 Teilnehmer:innen gerechnet“, so Stephan Tobler, gekommen sind um die 300. Die Leute würden sagen, immer wäre alles verwachsen und verschlossen gewesen. Nun könne man endlich rein.
Erkauften Adelstitel zurückgegeben
Erbaut wurde der Ostteil 1493 von Oswald Kröll III, Oberbürgermeister von Lindau. Damals war das Anwesen von einem riesigen Grundstück umgeben und stand auf einer Insel, der Nidrastad. „Die Luxburg war nie Regierungsschloss, sondern Sommerresidenz für deutsche Adlige“, erzählt Tobler. Im alten Teil ist ein Raum als Ausstellungsort hergerichtet, Wandtafeln arbeiten die Geschichte auf. Schillernde Figuren wohnten hier und verarmten häufig wieder auf Grund ihres ausufernden Lebensstiles.
1761 bezog der St. Galler Färber und Salzhändler Johannes Girtanner die Luxburg. Er wollte gerne adlig werden und dazu benötigte er eben ein Schloss. In dieser Zeit entstand der Westflügel. Der erkaufte Adelstitel des Freiherrn von Luxburg brachte seiner Schwiegertochter grosses Unglück. Sie kam wegen des Adelsstandes während der Französischen Revolution ins Gefängnis. Einige Adlige wurden geköpft, „doch weil Girtanner den Titel zurückgab und wieder ein Bürger wurde, wurde auch seine Frau gerettet und entlassen. Sie konnte nach St. Gallen zurückkehren“, so kennt Tobler die Legende, darum habe ihr Mann Friedrich Girtanner den Adelstitel wieder abgegeben.
Vom Atominstitut zeugt noch die Fluchttreppe
Ein markanter Umbau entstand 1955 im Ostteil durch den Züricher Maurer und Bodenspekulant Fritz Meili. Er wollte dort ein Atominstitut errichten. Aus dieser Zeit stammt die metallene Aussentreppe. Sein aufwendiger Lebensstil trieb Meili aber in den Konkurs. Sicher besser, dass kein Atominstitut im Schloss entstand.
Durch Landverkäufe schrumpfte das Gelände zunehmend. Die umgebende Siedlung entstand ab 1961. Da waren es von einst über 3600 nur noch 100 Aren.
Seit 2002 ist das Schloss nicht mehr bewohnt worden. Vorher war im neueren Teil eine Frau Gerber aus dem Dorf eingemietet, weswegen die sanitären Anlagen noch recht gut in Stand sind. Ihre Familie habe in den letzten 20 Jahren regelmässig gelüftet und geheizt, meint Stephan Tobler. 2018 wurde auf Drängen des Denkmalschutzes, der das Schloss als besonders wertvolles Objekt einstuft, das undichte Dach saniert.
„Im Laufe des Oktobers vergeben wir den Auftrag an die Architekten. Wir rechnen mit anderthalb Jahren Planung, in denen der Verein das Schloss zwischennutzen möchte“, so Tobler. Nicht um Gelder zu generieren, sondern um es im Bewusstsein zu halten. „Im Herbst 2024 ist dann hoffentlich Spatenstich.“
Von Judith Schuck
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