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von Brigitta Hochuli, 18.07.2013

Ernst Thoma - befreit vom Bürostuhl

Ernst Thoma - befreit vom Bürostuhl
Die beiden Seiten von Ernst Thomas Atelier in Stein am Rhein. | © zVg/ho

Sein Atelier in Stein am Rhein hat zwei Seiten: die elektronische und die malerische. Er benützt beide. Aber der Weg des Experimentalmusikers und Videokünstlers Ernst Thoma führt zurzeit weg vom Sitzen am Computer hin zum unmittelbareren Medium Malerei.

Brigitta Hochuli

Im Januar ist er 60 Jahre alt geworden. Kein Fest, kein Innehalten, kein Aufhebens. Das Ereignis war ihm ganz und gar unwichtig. Zieht einer von aussen trotzdem Bilanz, studiert seine reich befrachteten Webseiten, staunt über die Vielfalt des Werks, macht drei künstlerische Entwicklungsphasen von der elektornischen Musik über den Film zur Malerei aus, dann lächelt Ernst Thoma. So etwas sei ihm nicht bewusst. „Ich bin immer etwas anderes, je nach dem, was ich gerade mache.“

Video:

Zum Gespräch sitzen wir in der liebevoll renovierten Dachwohnung des verwunschenen alten Hauses in Stein am Rhein, wo Thoma zusammen mit seiner Partnerin Claudia Rüegg wohnt. Hier sei es bequemer als im Atelier, sagt er. Das Atelier: ein 1997 erstellter, gelb gestrichener moderner Baukörper mitten im verwunschenen Garten, mit runden Fenstern wegen des Sounds. „Sounddesign“ heisst denn auch die eine Webseite des Künstlers, „Brainsurfing“ die andere. Wir surfen entlang seiner Kunst.

Vom Bild zum Klangraum

Bis ins Alter von 23 Jahren hat der geborene Glarner und gelernte Buchdrucker gemalt, wollte ursprünglich die Kunstgewerbeschule besuchen, studierte an der F+F Schule für Kunst und Mediendesign in Zürich. Aber er fühlte sich als Aussenseiter und entschied sich für die elektronische Musik, die ihm schon immer wichtig gewesen war. Im Fernstudium am früheren Lehrinstitut Onken hatte er während Jahren einen Elektronik-Kurs belegt, was ihm ermöglichte, unerschwingliche Geräte wie einen Synthesizer selber zu bauen. Als einer der ersten Studenten wurde er schliesslich am elektronischen Studio der Musik-Akademie Basel bei David Johnson aufgenommen, einem ehemaligen Assistenten des für das 20. Jahrhundert wegweisenden Komponisten Karlheinz Stockhausen. Jetzt rückte die Auseinandersetzung mit Audioarbeiten in den Vordergrund.

In den 80er Jahren war Thoma unter anderem mit der experimentellen Musikgruppe UnknownmiX in ganz Europa unterwegs. 2012 spielte er zuletzt mit dem X_Quartett. In den 90er Jahren beschäftige er sich mit audiovisueller Kunst, schuf Video-Ton-Arbeiten, bearbeitete und reanimierte Standbilder, verflocht Video und Malerei, gestaltete 3D- Klangräume.

Notizen von unterwegs

Unvergessen ist Ernst Thomas Zyklus „Höllensturz“, den er 2007 im Kunstmuseum Thurgau zeigte. Vorausgegangen war ein halbes Jahr Berlin, das ihm die Thurgauer Wirtschaft mit einem Stipendium ermöglicht hatte - eine Bilderhölle kopfloser menschlicher Körper, zusammenmontiert aus dem Internet. Das habe wenig mit dem zur Ausstellung propagierten Thema Schuld und Sühne zu tun, erklärt Thoma. „Der Höllensturz ist eher ein klassisches Beispiel dafür, wie ich arbeite“, sagt der Künstler.

Wenn er unterwegs sei, mache er sich viele Notizen, das ergebe dann eine ganze Bibliothek von Dingen, die ihn interessierten. Und oft sehe er darin zwei Sachen, die nahe beieinander lägen. So habe er auf einer Zugfahrt nach München in einer Zeitung gelesen, dass über 50 Prozent der Internet-Serverkapazitäten für Pornografie verwendet würden. In München angekommen, ergab eine Rubens-Ausstellung die zweite Geschichte zum „Höllensturz“. Auch in seinem Syrien-Video hätten Internet-Pressefotos ihn an ein Rubens-Bild erinnert. Der Film lief 2012 im Kunstmuseum Olten und wird an der werkschau tg 2013 der Kulturstiftung des Kantons Thurgau im Kunstraum Kreuzlingen zu sehen sein.

Mit grosszügigen freien Bewegungen

Ernst Thoma schöpft aus dem Alltag. „Das kann hochpolitisch sein oder lustig oder banal“, sagt er. Ernst Thoma schöpfe aus der thurgauischen Nähe und Landschaft, meint man, wenn man etwa an die Ausstellungen Landscape im Kunstmuseum denkt. Das ist aber falsch. „Diese Landschaften hat es so nie gegeben. Es ist eher eine Rückkoppelungsgeschichte.“ Dasselbe passierte bei den Porträts, die kürzlich in Schaffhausen zu sehen waren. Die Ölkreidebilder erinnerten die Betrachter an konkrete Personen.

Seit drei Jahren widmet sich Ernst Thoma neben den Computerarbeiten wieder dem „unmittelbareren Medium“ Malerei. Die Arbeiten am Computer seien sehr indirekt und das Resultat immer erst mit dem Übertragen auf ein anderes Medium sichtbar. Vieles bleibe so letztlich unveröffentlicht auf der Harddisc liegen. Nun sei es ihm wichtig, etwas zu schaffen, das nicht im Sitzen, sondern stehend mit grosszügigen freien Bewegungen enstehe. Dabei greife er auf verschiedene Maltechniken zurück, mit denen er sich vor langer Zeit schon einmal intensiv vertraut gemacht habe. „Damit will ich mich vom Bürostuhl befreien.“

Obwohl nicht mehr sitzend, Ernst Thoma wird auch bei der Malerei nicht stehen bleiben. Für ein neues Projekt hat er schon seit drei Jahren Pläne. Es geht um Charles Bukowskis poetische-musikalische Texte - umgesetzt live mit Video, Schlagzeug, Sax und - wen wunderts - Elektronik.

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Ausstellungen und Sounddesign

Ernst Thomas Arbeiten waren an diversen Ausstellungen wie zum Beispiel im Kunstraum Kreuzlingen, an den Internationalen Lichttagen Winterthur, in Neulicht am See Hannover, im Zeppelin Museum Friedrichshafen, in der Kunsthalle Winterthur, in der Lichtinsel Kassel, im Kunsthaus Glarus und im Kunstmuseum des Kantons Thurgau ausgestellt. An der Expo 02 war Ernst Thoma mit dem Geräuschhörspiel „Klänge der Nacht“ in der Blindekuh in Murten und mit einer Komposition für die Ostschweizer „Aua extrema“ in Neuenburg beteiligt.

In seinem Studio für elektronische musik und sounddesign in Stein am Rhein erstellt und bearbeitet Ernst Thoma auf Auftrag Videomaterial, bereitet Vorlagen fürs web publishing auf, bietet Mehrkanal-Toninstallationen, erstellt neue Webseiten und interaktive CD-roms. Er sei ein totaler Technik- und Programmfreak, bilde sich wöchentlich weiter, sagt Thoma. In den letzten fünf Jahren konzentriert er sich allerdings wieder mehr auf seine eigene künstlerische Arbeit und auf die installative Kunst befreundeter Künstler, für die er sein Technikwissen fruchtbar macht. (pd/ho)

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2010 hat Ernst Thoma Delhi besucht. Davon zeugt der hier beigestellte Film „Timepiece2“.

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www.sounddesign.ch

www.brainsurfing.net

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