von Inka Grabowsky, 25.05.2021
Filmen gegen den Kapitalismus
Mit Hilfe des Förderbeitrags des Kantons Thurgau sucht Pablo Walser Ideen für die Rettung der Menschheit. Ein Video soll neue Gesellschaftsutopien zeigen. Teil 1 unserer Porträtserie über die FörderbeitragsgewinnerInnen 2021. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Bei der geografischen Verortung ist Pablo Walser schwer zu fassen. Geboren in Lörrach, aufgewachsen im Thurgau, Bürgerort ist Teufen in Ausserrhoden. Studiert hat er in Karlsruhe. Sein Elternhaus steht in Kreuzlingen. Nun lebt er in Dresden, überlegt aber eventuell nach Berlin zu ziehen. Für ein Online-Gespräch erwischen wir ihn in Les Escaules nördlich von Girona, wo er gemeinsam mit Künstlerkollegen ein altes Haus zum Gemeinschafts-Atelier umgebaut hat.
Politisch ist der Maler, Zeichner, Witzeerfinder und Filmer leichter einzugrenzen. „Ich bin überzeugt davon, dass gesellschaftlicher Wandel alternativlos ist. Die Selbstauslöschung wollen wir Menschen doch alle vermeiden.“ Er möchte die Kapitalismuskritik wieder aufleben lassen, die es schon vor hundert Jahren einmal gab. „Der Anarchist Bakunin ist mir dabei sympathischer als Marx. Der war zu autoritär. Es ist auch Selbstkritik nötig.“
Mitten drin in der Kulturfördermaschinerie
Pablo Walser selbst ist innerhalb des bestehenden Systems durchaus erfolgreich – allerdings nicht unbedingt in pekuniärer Hinsicht. Mit einem „Denkzeit“-Stipendium, das er vergangenes Jahr vom Freistaat Sachsen bekommen hat, konnte er Trailer für das Filmprojekt fertigstellen, mit denen er sich anschliessend für den Förderbeitrag des Kantons Thurgau bewarb.
Der eine Preis gibt ihm also den Freiraum, eine umfassende Bewerbungsmappe für den nächsten zusammenzustellen. Für ihn laufen die staatlichen Förderungen gerade Hand-in-Hand. „Ich arbeite aber vernetzt mit anderen Kulturschaffenden, und bei denen sieht es wirtschaftlich im Augenblick eher düster aus. Sie arbeiten gezwungenermassen ehrenamtlich. Deshalb erwägen wir, uns zu einem Kunstsyndikat zusammenzuschliessen. Wir wollen bewusst nicht nur für reiche Menschen arbeiten, die sich Kunst leisten können.“
Appetithäppchen gibt es jetzt schon online
Kooperativ soll auch der Film „Future is coming soon“ werden. Die ersten Ideen und fantasievolle Sciene-Fiction-Kostüme hatte er schon Anfang 2020, als er im Kreuzlinger Kunstraum die Ausstellung „News fatale“ im Rahmen des Adolf-Dietrich Förderpreises gestaltete. „Back to Revolution“ war damals der Arbeitstitel.
Das Projekt habe sich gut weiterentwickelt, so der 32-Jährige. Auf Walsers Homepage sind unter dem Titel „Future is coming soon“ bereits drei Videoclips zu sehen, die einen Vorgeschmack geben. Pessimistisch ist der Tonfall nicht. In „Raumschiff Erde“ blickt Walser aus der Zukunft in die Gegenwart zurück, und beschreibt, wie sich die Menschheit sich mit Hilfe der Computer zu Cyborgs optimiert.
Die grosse Angst: Enden wir alle als Konsumzombies?
In „Mechanistisches Weltbild“ findet er Bilder für ein Fachinterview mit dem Kognitionswissenschaftler Joscha Bach, in dem das Universum mit einem Computer gleichgesetzt wird. Im Video „Quarantelier“ heisst es, das Kapital sei tot.
Die Selbstzerstörungsarbeiten am Raumschiff Erde seien Anfang der zwanziger Jahre des dritten Jahrtausends für eine Weile unterbrochen. Der Anfang sei nah. Die Idee einer geeinten Menschheit gehe viral. Einigt uns Distanzdisco? Rettet uns eine menschliche Ameisenkönigin vor dem Schicksal, als Konsumzombie zu enden? Walsers anarchischer Humor ist unübersehbar.
Auch Künstliche Intelligenz könnte zum Einsatz kommen
Die Vorbereitungen für den Film laufen: Gerade malt Walser am Filmplakat. Für die Dreharbeiten gibt es bisher neben einigen Dokumentationsaufnahmen aus Dresden nur ein loses Skript.
Walser will „pseudofiktional“ vorgehen: Die Mitspieler sollen ihre eigenen Gesellschaftsutopien vorstellen. „Die meisten von uns können sagen, was alles schiefläuft. Mal sehen, welche Ideen es gibt, wie es besser laufen könnte.“
Gedreht wird wahrscheinlich vor allem im Gemeinschaftsatelier in Katalonien: „Ich bin darauf angewiesen, dass meine Darsteller und Darstellerinnen ohne Gage mitmachen – und hier kann ich als Ausgleich wenigstens ein Ferien-Setting bieten.“
Video: arttv.ch hat Pablo Walser 2020 porträtiert
Die unheimliche Machtkonzentration bei Google
Der fertige Film soll wie bei Walser üblich auf seiner Homepage frei zugänglich sein. Mit dem Programmierer seiner Website Niklas Plessing überlegt er, wie künstliche Intelligenz helfen könnte, jedem Interessenten seine eigene personalisierte Version von „Future is coming soon“ zu bieten.
Die dafür nötigen persönlichen Daten könne man einfach bei Google kaufen, meint er. „Diese Machtkonzentration ist schon unheimlich. Und ob die Personalisierung wirklich nützlich ist, muss sich noch herausstellen. Bisher dient es ja vor allem der gezielteren Werbung.“
In einem Jahr will Pablo Walser Antworten auf seine Fragen präsentieren können.
Die Kulturförderbeiträge
Einmal im Jahr vergibt der Kanton Thurgau seine Kultur-Förderbeiträge an KünstlerInnen, die mit einem überzeugenden Vorhaben den nächsten Schritt ihrer Karriere gehen wollen. In diesem Jahr werden drei Frauen und drei Männer ausgezeichnet aus den Sparten Bildende Kunst, Theater und Musik. Der Preis ist mit jeweils 25'000 Franken dotiert. Die Preisverleihung findet digital statt - am Donnerstag, 3. Juni, 19 Uhr. Wer dabei sein will: Alle Informationen zur Anmeldung gibt es hier.
Die Preisträger sind: Jasmin Albash (Musikerin), Fabian Alder (Regisseur), Claudia Bühler (bildende Künstlerin), Susanne Hefti (bildende Künstlerin), Daniel V. Keller (bildender Künstler) und Pablo Walser (bildender Künstler). Fabian Alder (hatte zuletzt 2019 mit der Theaterwerkstatt Gleis 5 «Der Held der westlichen Welt» inszeniert) und Daniel V. Keller (hat die 18. Ausgabe der Facetten-Reihe der Kulturstiftung gestaltet) erhalten den Förderbeitrag nach 2013 (Fabian Alder) bzw. 2016 (Daniel V. Keller) bereits zum zweiten Mal.
Die Serie: In einer Porträtserie stellen wir alle PreisträgerInnen vor. Alle Teile der Serie werden in unserem Dossier zu den Förderbeiträgen gebündelt. Dort finden sich auch Porträts zu früheren PreisträgerInnen.
Von Inka Grabowsky
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