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von Tabea Wick, 05.05.2023

Im Umgang mit der Hölle

Im Umgang mit der Hölle
Bobby Moor und Thiss machen Überlebenskunst aus der Hölle | © Tabea Wick

Bobby Moor & This schaffen es, in einer Hölle auf Erden zu überleben. Dass es nicht nur ums Überleben geht, ist noch bis zum 13. Mai in der Galerie Xaoxart zu sehen. (Lesezeit: ca. 3 Minuten)

Zwei junggebliebene Punks: Bobby Moor, 1968 geboren, verbrachte seine Jugendjahre auf den Strassen St. Gallens. Thisscrimination, genannt Thiss, Jahrgang 1980, wuchs im Thurgau auf. Seine Eltern waren beide Pastor:innen.

Moor und Thiss beherrschen aber nicht nur die Kunst, in der Hölle zu leben – sie schaffen auch Kunst über dieses Leben in der Hölle. Eine Auswahl von Bobby Moors Malereien, sowie Thisscriminations Filzstiftzeichnungen präsentieren die beiden vom 8. April bis am 13. Mai in Bobby Moors Galerie Xaoxart in St. Gallen im Rahmen der Ausstellung The Art Of Living in Hell.

«Unsere Hölle ist aber nicht die, die sich die meisten vorstellen würden, die von unserer Geschichte erfahren»

Bobby Moor

«Unsere Hölle ist aber nicht die, die sich die meisten vorstellen würden, die von unserer Geschichte erfahren», erklärt Moor den Hintergrund ihrer Ausstellung: «Viele meinen, wir bezeichnen mit dem Begriff der Hölle tragische Ereignisse und Prägungen, wie bei mir zum Beispiel meine lange Drogensucht und meine HIV-Infektion. Dabei ist das für mich nicht das Schlimmste am Ganzen.»

Düstere Gefühle darzustellen, ist wie Therapie

Thiss fügt hinzu: «Für uns ist vielmehr die Hölle, wie die Gesellschaft mit unserer Andersartigkeit und im Allgemeinen mit Menschen mit psychischen Erkrankungen umgeht. In meinen Bildern thematisiere ich so häufig meine Depression und den Tod, wobei viele Leute nicht verstehen, wieso ich so düstere Gefühle an die Öffentlichkeit bringe». Die Kunst ist für Bobby & Thiss aber wie Therapie.

Thiss persönliche Hölle ist ein voreingenommene Gesellschaft
Thiss persönliche Hölle ist ein voreingenommene Gesellschaft. Bild: Tabea Wick

 

Thiss stellt sein abstraktestes Werk dazu vor, wobei Bobby gleich meint: «So abstrakt ist es gar nicht, da sieht man doch noch sehr gut, was du darstellen willst». Der Besuch im Xaoxart fühlt sich im Grunde wie ein kreativer Austausch zwischen den beiden Künstlern an.

Kirchenfenster der anderen Art

Für Thiss, der mit seinen Filzstiften sonst sehr präzise und meist im realistischen Stil auf seinen kleinen Papieren arbeitet, sei das gerade betrachtete Projekt sehr ungewohnt und gewagt gewesen. Das Bild erinnert an ein Mosaik oder aufgrund der strahlenden Farben fast eher noch an ein Buntglasfenster in einer Kirche. Versteckt darin sind statt, wie bei einem solchen Fenster erwartet, religiöser Zeichen, Schlafmohn und Symbole für den Tod.

«Punksein ist ja eben auch eine Kunst: mit der Hölle, missverstanden zu werden, umzugehen»

Bobby Moor und Thisscrimination

Eines von Bobbys Bildern, welches im Keller des Xaoxart zu sehen ist, zeigt eine Geschichte, an die sich Bobby selbst, aufgrund seines damaligen Drogenkonsums, nicht mehr erinnern kann. Ein Beobachter dieser Situation, habe ihm Jahre später einmal erzählt, dass Bobby, damals noch ein junger Punk, nackt im Brunnen des St.Galler Doms gebadet hat, und eine Schar von Nonnen erschreckte.

«Punksein ist ja eben auch eine Kunst: mit der Hölle, missverstanden zu werden, umzugehen», meinen beide. Wenn man sich Bobby und Thiss so ansieht, der Erste mit Piercings und grüngefärbten Haaren, der Andere mit wilder Frisur, langem Bart und volltättowiert, weiss man, dass sie sich von ihrer Hölle, einer Gesellschaft, die stigmatisiert, nicht haben unterkriegen lassen.

Er spricht vielen aus der Seele

So zeigen es viele ihrer gesellschaftskritischen Bilder. Aber die Tatsache, dass Bobby innerhalb der St. Galler Kunstszene zu einer kleinen Bekanntheit geworden ist, sowie der Zuspruch, den Thiss von einem internationalen Publikum erhält, welches sein Schaffen via Social Media verfolgt, lassen darauf schliessen, dass sie vielen aus der Seele sprechen.

Dadurch, dass die Künstler eine kleine Masse für ihre Werke begeistern konnten, sei es für beide eine Herausforderung, authentisch zu bleiben und ihr Innenleben auf Leinwand oder Papier zu bringen, und trotzdem den Nerv des Publikums zu treffen und eine Verbindung mit den Betrachter:innen schaffen. «Kunst darf eigentlich alles», sagt Thiss.

Die Kunst, in der Hölle zu leben
Die Kunst in der Hölle zu leben. Bild: Tabea Wick

 

Eine Frage, die er sich immer wieder aufs Neue stellt, sei für ihn aber, wieviel dieser künstlerischen Freiheit er nutzen will. Welche intimen Gefühle will er überhaupt zeigen und auf welche Weise möchte er durch seine Kunst wahrgenommen werden? Seine detaillierten, raffinierten Filzstiftzeichnungen werden stets von Text begleitet, da sie die Botschaft seines Bildes vervollständigen oder gar tragen.

Gefühlsgelenkt oder durchdacht

Ein wenig rühre es daher, dass Thiss teils Monate recherchiert und plant, wie er sein Bild gestalten wird und er diesen klaren Vorstellungen nicht viel Interpretationsraum lassen möchte.

«In dieser Hinsicht sind wir ganz unterschiedlich. Oft weiss ich noch gar nicht, was ich malen möchte, wenn ich Pinsel oder Roller auf meine Leinwand ansetze», erzählt Bobby Moor. Oder aber ihm kommen spontane Einfälle, wenn er abends im Bett liegt, welche er dann in einem Buch mit Worten oder Skizzen festhält.

«Ich lasse mich von meinem Gefühl leiten. Daher finde ich es ganz interessant, wenn ich zuhören kann, wie jemand anderes das fertige Bild interpretiert», erzählt Bobby: «Als ich noch mehr mit dem Farbroller gemalt habe, waren meine Bilder noch bunter. Als ich mit dem Pinsel anfing, wurden die Farben eher trist. Ich weiss selbst nicht einmal warum. Das ergibt sich einfach so».

Thema Tod als Alltagsbegleiter

«Ich habe so oft über den Tod gemalt. Es ist schon fast zur Normalität geworden mich damit zu befassen», erzählt This: «Trotzdem mag ich das Leben. Ich finde irgendwie braucht es den Tod, damit das Leben überhaupt erst Bedeutung hat. Damit man es mit Dingen füllt, die einem gefallen.» Zum Beispiel mit Kunst. Innert zehn Jahren habe Thiss etwa 3000 Bilder gezeichnet. Bobby half das Malen seit seinem letzten Entzug im Jahr 2007, abstinent bleiben.

Bobby setzt sich mit Frack und Zylinder ans Klavier und gibt seine Interpretation des Stücks «Luzifers Traum» von Karl Heinz Stockhausen in seiner Rolle als Robert Sumpf zum Besten, um einen Eindruck davon zu geben, wie er die kommende Finissage musikalisch untermalen wird.

Bobby Moor aka Robert Sumpf
Bobby Moor aka Robert Sumpf. Bild: Tabea Wick

 

Kurz davor meint Thiss: «Selbst wenn man sich andere Künstler ansieht; Ich glaube, niemand hat sich dazu entschieden, Kunst zu machen, weil man es will. Die, die richtig besessen davon sind, kreativ zu sein, müssen das einfach. Kunst machen ist ein innerer Zwang, Dinge, die einen beschäftigen, an die Oberfläche zu bringen».

Die Finissage zur Ausstellung findet am 13. Mai um 18 Uhr statt und wird musikalisch durch Moors Alter Ego Robert Sumpf begleitet und durch eine Lesung von Schriftschlag untermalt.

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