von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 17.06.2022
Jenseits von Batman
2008 zeigte das Naturmuseum Thurgau eine Ausstellung über Fledermäuse. Nach einer langen Tournee durch die Schweiz kehrt die Schau nun aktualisiert zurück nach Frauenfeld. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
Bruce Wayne ist noch ein kleiner Junge, als er sich sein Lebenstrauma einfängt. Auf dem Anwesen seiner Eltern stürzt er in einen Brunnen, schreckt dabei dort nistende Fledermäuse auf, die daraufhin wild um ihn her flattern. Bruce gerät in eine Panik, die er sein Leben lang nicht vergessen wird. Zwar rettet ihn sein Vater nach kurzer Zeit. Aber die Angst vor Fledermäusen wird Bruce nie mehr los.
Am Ende wird der kleine Bruce zum Fledermaus-Mann, bekannter als Batman. In dem Film „Batman Begins“ wird er gefragt, weshalb er Fledermäuse zu seinem Symbol auserkoren hat: „Weil sie mir Angst machen. Und meine Feinde sollen meine Angst teilen. “
Neugier statt Angst
Dabei sollten die kleinen Tiere keine Angst, sondern eher staunende Neugier auslösen. Genau da setzt eine Ausstellung im Naturmuseum Thurgau an. „Fledermäuse - geheimnisvoll, faszinierend, schützenswert“ heisst sie und sie will den erstaunlichen Fähigkeiten der Flugtiere auf den Grund gehen. „Flugvermögen, Echoortung, Wochenstuben oder der Winterschlaf sind nur einige ihrer faszinierenden Eigenarten“, sagt Naturmuseum-Direktor Hannes Geisser bei der Medienkonferenz.
Vor 14 Jahren wurde die Schau - eine Koproduktion des Naturmuseums mit der Thurgauischen Koordinationsstelle für Fledermausschutz und der Stiftung Fledermausschutz Schweiz - erstmals in Frauenfeld gezeigt. Danach ging sie auf Tournee durch weitere Museen, Naturschutzzentren und Tierparks. An insgesamt 15 Ausstellungsorten zählte die Ausstellung nach Angaben des Museums fast 140’000 Besucher:innen. In einer aktualisierten und leicht erweiterten Version ist sie nun erneut in Frauenfeld zu sehen.
Video: Wie orientieren sich Fledermäuse?
Warum das Naturmuseum eine alte Ausstellung recycelt
Die Gründe dafür sind vielfältig. Und sie zeigen ganz gut, wie so ein Museumsbetrieb eigentlich funktioniert. Denn: Museen planen ihre Ausstellungen in der Regel langfristig, oft über viele Jahre hinweg. In dieser Zeitspanne müssen sie Forschungsinteressen, inhaltliche Ideen für Ausstellungen, personelle Ressourcen und finanzielle Möglichkeiten in Einklang bringen und manchmal erleichtert es den Museumsalltag, wenn man eine Ausstellung „nur“ aktualisieren muss, weil es dem Betrieb (und damit allen Beschäftigten) mehr Luft gibt für andere Aufgaben.
Im Fall des Naturmuseums ist das zum Beispiel die Überarbeitung der Dauerausstellung, die derzeit viele Ressourcen bündelt. „Ich habe immer ein leicht schlechtes Gewissen, wenn wir eine Ausstellung nochmal zeigen, aber im konkreten Fall ergibt es wirklich Sinn“, sagt Museumsdirektor Hannes Geisser.
Sündenbock der Pandemie?
Auch thematisch. Vor allem, weil die Pandemie der Fledermaus neue Bekanntheit eingebracht hat. Eher unrühmliche allerdings: Der Ursprung von Covid-19 liegt nach aktuellem Wissensstand wahrscheinlich bei Fledermäusen. „Sie als Sündenbock der Pandemie zu bezeichnen ist aber nicht gerechtfertigt“, erklärt Hannes Geisser. Weil eine direkte Übertragung von Fledermaus zu Mensch als unwahrscheinlich gilt und wir selbst mitverantwortlich sind für die Entstehung solche Zoonosen.
David Morens, Zoonosen-Experte am National Institute of Allergy and Infectious Diseases in Maryland, beklagte gegenüber der Zeitschrift National Geographic, dass es bisher zu wenig Diskussionen darüber gegeben habe, welchen Effekt das Verhalten der Menschen auf zukünftige Ausbrüche gefährlicher Krankheiten hätte. „Zu den Risikofaktoren zählten unter anderem die Entwaldung, das Eindringen in natürliche Lebensräume, der Verkauf und Konsum von Wildtieren und Verhaltensweisen, die diese Wildtiere in engen Kontakt mit Nutztieren und Menschen bringen“, heisst es in dem Artikel.
Video: Zoonosen – So entstand das Coronavirus
Wo alles anfing
Auf dem Markt in Wuhan, wo die Pandemie ihren Anfang nahm, wurden auf engem Raum lebende Haus- und Wildtiere angeboten - ideale Voraussetzungen für eine Virenübertragung.
Zwar ist die Corona-Pandemie der aktuelle Aufhänger für die Ausstellung, sie spielt aber in der Schau selbst eigentlich nur eine Nebenrolle. Den Ausstellungsmacher:innen geht es vielmehr um die vielen erstaunlichen Fähigkeiten und Eigenschaften der Fledermaus.
Was die Fledermaus so besonders macht
Es gibt sie seit mehr als 50 Millionen Jahren auf der Erde, sie besiedeln den ganzen Erdball mit Ausnahme der Polarregionen und mit ihrem flatterhaften Flug und ihrer Echoortung sind sie ziemlich gute Jäger. Insekten nehmen sie zum Beispiel durch das flattern weniger gut wahr, was sie zu leichter Beute für die Flugtiere macht.
Wie die Echoortung genau funktioniert, ist bis heute noch nicht in allen Details erforscht. Das Grundprinzip aber ist bekannt. Fledermäuse bahnen sich quasi schreiend, über ihre Rufe, den Weg durch die Nacht. Treffen die Schallwellen der Tiere auf ein Hindernis, werden sie als Echo zurückgeworfen.
Dieses Echo wird über die Ohren wahrgenommen und das Gehirn wertet die Signale blitzschnell aus, und die Fledermaus erfährt so wie die Welt um sie herum aussieht. „Mit Hilfe der Echoortung nimmt sie wahr, ob sich vor ihr andere Lebewesen durch die Luft bewegen und sich darunter eine lohnende Beute befindet oder ob der Wandspalt für ein Versteck gross genug ist“, erklärt der Biologe Hannes Geisser.
Video: arte über Fledermäuse
Klimaschutz vs. Artenschutz
Interessant ist auch: Obwohl die Fledermaus zu der artenreichsten Säugetiergruppe im Thurgau zählt (20 Arten leben im Kanton, 30 Prozent der Säugetiere hier sind Fledermäuse) ist sie doch auch immer wieder bedroht in ihrer Existenz zum Beispiel durch die aktive Vertreibung und Vernichtung der Tiere durch den Menschen, der Verschluss ihrer Quartiere oder die Vergiftungen durch Spritzmittel, die in der Landwirtschaft, in Wäldern und in Gebäuden angewendet wurden.
Und manchmal ist Klimaschutz auch kein Artenschutz: „Durch die Wärmedämmung vieler Häuser fehlen den Fledermäusen ihre Schlupflöcher“, sagt Hannes Geisser.
Im Rahmenprogramm (30. Oktober): Mit VR-Brille zur Fledermaus werden
Ausstellung & Begleitprogramm
Die Ausstellung ist bis zum 5. Februar 2023 im Naturmuseum Thurgau zu sehen.
Aktionstag mit VR-Brille: Ein besonderes Programm gibt es am Sonntag, 30. Oktober, 10.30 bis 17 Uhr: Batvision ermöglicht mit einer Virtual-Reality-Brille das einzigartige Erlebnis, die Welt wie eine Fledermaus wahrzunehmen: In vollständiger Dunkelheit wird die Umgebung erst durch den eigenen Schrei erkennbar. Daneben steht in der Ausstellung eine Fachperson bereit, um Fragen rund um Fledermäuse zu beantworten.
Altersempfehlung: frühestens ab 6 Jahren . Anmeldung erforderlich
Programm für Kinder und Familien
Familienführung durch die Ausstellung «Fledermäuse»: Was flattert da im Dunkeln?
10. August 2022, 10:30 bis 12:00 Uhr (Für Kinder von 6 bis 9 Jahren); Anmeldung erforderlich.
12. Oktober 2022, 10:30 bis 11.30 Uhr (für Kinder von 4 bis 6 Jahren); Anmeldung erforderlich.
11. November 2022, 18.30 bis 19.30 Uhr (für Kinder von 9 bis 12 Jahren; mit Taschenlampe durch die dunkle Ausstellung); Anmeldung erforderlich.
Darum geht's: In lauen Sommernächten sind sie ein vertrauter Anblick am Himmel. Doch sind sie geheimnisvolle Tiere: Wo wohnen Fledermäuse eigentlich? Was fressen sie genau? Und warum haben einige Arten so riesige Ohren? Auf dem spielerischen Rundgang tauchen Kinder und Erwachsene in die Welt der Fledermäuse ein und erfahren Spannendes über ihre besondere Lebensweise.
Exkursion
Fr., 30. September 2022, ca. 19 bis 22 Uhr: Bei der Balz und auf der Jagd: Exkursion auf der Allmend Frauenfeld zur Ausstellung ‹Fledermäuse› Franziska und Marius Heeb, Thurgauische Koordinationsstelle für Fledermausschutz
Erwachsene Fr. 10.– / Kinder (ab 6 Jahren) Fr. 5.–, Anmeldung erforderlich
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