von Inka Grabowsky, 01.02.2022
Silberne Lorbeeren für Thurgauer Jungfilmer
Der Kreuzlinger Silvan Marty hat beim Ostschweizer Kurzfilmwettbewerb nicht nur den zweiten Preis in der „Professionals“-Kategorie gewonnen, sondern mit seinem Beitrag auch die Eintrittskarte für die Filmakademie Baden-Württemberg gelöst. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
Zweiter unter 81 Mitbewerbern: Auf diesen Erfolg hat Silvan Marty lange hingearbeitet. Schon 2016 hatte er in der Kategorie „U 20“ beim Ostschweizer Kurzfilmwettbewerb teilgenommen und den dritten Platz erreicht. „Weil ich vor fünf Jahren schon dabei war, bedeutet mir der Preis tatsächlich viel“, sagt der 24-Jährige.
„Aber zugegeben: ich hatte den Wettbewerb etwas aus den Augen verloren, weil zeitgleich mein Studium begonnen hat.“ Und dieses Studium ist so etwas wie der Hauptpreis, den er mit seinem Wettbewerbsbeitrag „Ein Versprechen“ gewonnen hat.
„Scheitern ist im Film-Geschäft normal.“
Silvan Marty, Nachwuchs-Filmer
Um an einer Filmhochschule angenommen zu werden, muss man unter anderem einen selbstgedrehten Film einreichen. „Ich habe versucht, an den Hochschulen in Luzern, Zürich und in Ludwigsburg bei Stuttgart anzukommen. Bei den Schweizern bin ich an der ersten Hürde gescheitert.“
Um so grösser war seine Freude, dass im Nachbarland der Film auf so viel Gegenliebe stiess, dass Marty die zweite Bewerbungsrunde absolvieren durfte und schliesslich als einer von rund siebzig Studierenden aufgenommen wurde.
Erfolg ist nicht selbstverständlich
„Scheitern ist im Film-Geschäft normal“, sagt er. „Das gilt auch bei der Beantragung von Fördergeldern oder bei Wettbewerben. Man muss es immer wieder versuchen.“ Die ersten Male sei es frustrierend, wenn ein eigenes Werk abgelehnt werde.
„Man muss Glück haben, also auf die richtigen Betrachter treffen oder ein Thema gewählt haben, das gerade wichtig ist. Am Anfang ist das schwer zu akzeptieren. Wenn man länger dabei ist, gewöhnt man sich daran. Und wenn es mal klappt, ist es schön.“
„Jetzt ist klarer, was ich erzählen möchte. Vor fünf Jahren waren meine Geschichten zu komplex.“
Silvan Marty, Jung-Regisseur (Bild: Inka Grabowsky)
Silvan Marty betreibt als „Sili“ einen eigenen youtube Kanal, auf dem man verfolgen kann, wie er sich über die Jahre weiterentwickelt hat. „Es ist auch für mich interessant zu sehen, was ich früher für Visionen hatte. Und es ist faszinierend, wie ich mich verbessert habe. Jetzt ist klarer, was ich erzählen möchte. Vor fünf Jahren waren meine Geschichten zu komplex. Ich habe inzwischen gelernt, was wichtig ist, welche Details unverzichtbar sind und wie ich die Schauspieler führe.“
Die Produzentin freut sich mit
Der Preisträger hat in Kreuzlingen die Pädagogische Maturitätsschule absolviert, nach der Matura den Militärdienst in der Militärmusik verbracht und dann über Praktika den Einstieg ins Filmgeschäft gesucht. Beim ersten Job habe er nicht so viel gelernt. „Aber er öffnete mir die Tür zum zweiten Praktikum bei der Zürcher Cine Royal Productions“.
„Kurzfilme sind Prestigeobjekte. Damit können wir in der Branche zeigen, dass unsere Filme relevant sind.“
Caroline Wloka, Produzentin Cine Royal
Hier arbeitete er schliesslich als Schnittassistent, Junior Cutter und Kameraassistent. Und hier konnte er seinen Wettbewerbsbeitrag realisieren. Unternehmensgründerin und Produzentin Caroline Wloka sagt: „Wir bilden unsere Mitarbeiter auf ihr gewünschtes Ziel hin aus. Kaffee kocht bei uns keiner.“ Nachwuchsförderung sei ihr wichtig.
Sie räumt auch ein, dass der zweite Preis für Silvan und sein Team nun eine willkommene Belohnung für Cine Royal Productions ist: „Kurzfilme sind Prestigeobjekte. Damit können wir in der Branche zeigen, dass unsere Filme relevant sind. Wenn man beim nächsten Mal einen Spielfilm realisieren will, ist es gut Preise im Portfolio vorweisen zu können, um dann auf die Unterstützung von Förderinstanzen zu hoffen.“
Finanzierung mit schmalem Budget
Vor rund einem Jahr stellte Silvan seiner Chefin seine Filmidee vor. „Wenn ein Auszubildender mit so einer Geschichte kommt, wäre es dumm, sie nicht zu produzieren“, so Caroline Wloka. „Ich glaube an gute Geschichten. Sie müssen einfach erzählt werden, auch wenn es Geld und Zeit kostet. Und bei einem Kurzfilm hält es sich in Grenzen, denn das Equipment haben wir ja selbst.“
Der Jungfilmer begann die Charaktere auszuarbeiten und ein Drehbuch zu verfassen. Wloka griff zum Rotstift und strich zusammen, was zu aufwendig werden würde. „Ein Versprechen“ ist eine Low-Budget-Produktion. Die Schauspieler bekamen immerhin eine Aufwandsentschädigung. Zuviel kosten durfte der Dreh aber nicht.
„Limitation fördert die Kreativität. Man muss sich von Einigem trennen, um ein gutes Ergebnis zu bekommen.“
Silvan Marty
„Limitation fördert die Kreativität“, meint der Autor lakonisch. „Deshalb kann man auch mit kleinem Budget gute Filme machen. „Kill your darlings“ sei ein stehender Spruch unter Drehbuchautoren. „Man muss sich von Einigem trennen, um ein gutes Ergebnis zu bekommen.“
Ausserdem braucht man viele Unterstützer: Die Reformierte Kirche in Horgen beispielsweise stand dem Team gegen eine freiwillige Spende als Drehort zur Verfügung, die Seilbahn Niederbauen hat extra einen Mann abgestellt, der die Kabine zum Berggipfel bediente, und das aufwendigste Requisit - eine goldene Urne - hat Thomas Schär von Urne.ch ausgeliehen.
Teamwork unabdinglich
Ein gutes Ergebnis ist nach Silvan Martys Ansicht immer eine Teamleistung. Beim Wettbewerbsprojekt hat er die Produktionsleitung, das Drehbuch, die Regie und den Schnitt ganz übernommen, ausserdem als zweiter Kamaraassistent gewirkt und bei der Coloration, der Tonmischung und der Requisite mitgeholfen.
Kim Howland amtete als Director of Photographie. Die Hauptrolle spielte David-Joel Oberholzer. Bei der Vorproduktion war Caro Wloka behilflich. „Die Organisation ist nicht meine Welt“, gibt Silvan freimütig zu. Die Produzentin hatte das nötige Fingerspitzengefühl, um alle Beteiligten vom Projekt zu überzeugen, und die nötige Erfahrung, um den Dreh zu planen.
„Wir haben uns für den Kurzfilm drei Tage Zeit genommen, damit sich niemand stressen muss.“
Caroline Wloka, Produzentin
„Besonders war in diesem Fall, dass wir mit einem Kind gedreht haben“, erzählt sie. „Kinder dürfen nur ein paar Stunden pro Tag arbeiten. Unerfahrene Filmemacher versuchen im Low Budget Bereich bei Kurzfilmen oft alles in einen Drehtag zu quetschen. Dann kommen die schrecklichen 18-Stunden-Tage.“
Ganz besonders bei Low-Budget-Filmen müsse man als Produzent auf die Schauspieler aufpassen, die einem vertrauen. „Wir haben uns für den Kurzfilm drei Tage Zeit genommen, damit sich niemand stressen muss.“
Lieblingsdisziplin Montage
Silvan Marty will sich nach seinem Grundstudium auf den Filmschnitt und die Montage spezialisieren. Das hat ihm auch bei „Ein Versprechen“ besonders gefallen. 14 Tage habe die Postproduktion beansprucht. „Im Schnittraum schnüre ich ein organisches Gesamtpaket und verdichte die Geschichte. Es macht viel Mühe, auch weil es unendlich viele Möglichkeiten gibt. Ich kann über die Reihenfolge der Szenen entscheiden und kürzen, um das Tempo zu erhöhen. Das ist die Kür.“
Dabei schätzt der junge Filmemacher aber durchaus jeden Beitrag, den die anderen Disziplinen zum Gesamtwerk leisten. „Das ist das Schöne beim Film“, sagt er. „Jeder bringt eine andere Perspektive mit, jeder hat eine andere Meinung. Bei der Montage fügt man ein Puzzle zusammen, bei dem kein Teil fehlen darf.“
Eine berührende Geschichte
Immer wenn Silvan Marty eine Idee für einen Film hat, schreibt er sie auf. „Irgendwann entsteht ein Konglomerat von Ideen. Daraus ergibt sich ein Weg.
Bei seinem prämierten Kurzfilm war es der Gedanke, eine Verbindung über den Tod hinaus darstellen zu wollen. Das Versprechen, das sich Grossvater und Enkel gaben, bleibt ein unsichtbares Band.“ Der junge Jovin hatte seinem Grossvater immer in der Kirche zugehört, wenn dieser Orgel spielte. Eigentlich hätte der Senior bei der Hochzeit von Jovin spielen sollen, doch der alte Mann stirbt. In weiser Voraussicht hatte er jedoch eine Botschaft und ein Musikstück auf Band aufgenommen.
Von Abschieden, Versprechen und grossen Gefühlen
Und während Jovin sein Versprechen einlöst, die Asche des Verstorbenen in den Bergen zu verstreuen, kann der Grossvater seinerseits sein Versprechen durch die aufgenommene Musik halten.
Der fünfminütige Film setzt auf Emotionen und zwischenmenschliche Beziehungen. „Und das funktioniert mit jedem Zuschauer, weil jeder einen Grossvater hat und sich mit dem Thema Abschiednehmen identifizieren kann“, so Caroline Wloka.
Nach dem Ostschweizer Kurzfilmwettbewerb soll „Ein Versprechen“ noch bei weiteren Festivals eingereicht werden, deshalb wird der Film noch nicht veröffentlicht. Aber immerhin den Trailer kann man sich ansehen:
Von Inka Grabowsky
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