von Bettina Schnerr, 28.11.2022
Wie hart trifft die Energiekrise die Kulturbranche?
Mit dem Mantel durchs Museum? Wird das Bier im Kino warm? Und wer stemmt all die Kosten? Wir haben uns bei einem Theater, einem Kino und einem Museum im Thurgau umgehört, was die Energiekrise für sie bedeutet. (Lesedauer: ca. 6 Minuten)
Spartipps vom Bunderat gibt es inzwischen Dutzende. Richtig angewendet sollen sie in der Summe 10 bis 15 Prozent weniger Energieverbrauch ausmachen. Bei Gas und beim Strom gleichermassen. Beim Strom kommt die Zahl nicht von ungefähr: Im Winter importiert die Schweiz Strom aus dem Ausland und werden die Tipps gut umgesetzt, müsste man gar nichts einkaufen.
Also gehen auch Kulturbetriebe auf Sparkurs, darunter das Theaterhaus Thurgau in Weinfelden, das Kino Roxy in Romanshorn und die Kartause Ittingen mit dem Kunstmuseum Thurgau und dem Ittinger Museum.
Eine Auswahl, die, so klein sie ist, auf einen wichtigen Aspekt hinweist: Kulturbetriebe arbeiten unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen, mit unterschiedlichen Angeboten, sodass Massnahmen und Möglichkeiten naturgemäss von individuellen Faktoren abhängen. Auch die Frage, ob ein Betrieb eher vom Strom- oder vom Gasmangel betroffen wäre, fällt unterschiedlich aus.
Licht aus – nicht im Theater, aber obendrauf
Im Fall „Strom“ fallen die Möglichkeiten in der Regel schlicht aus: Abschalten. So wie in Weinfelden: „Zur Aussenbeleuchtung des Theaterhauses gehören drei gelbe Kuben, die als gut sichtbares Werbemittel konzipiert sind,“ erzählt Lena Leuenberger, die dort für Kommunikation und Werbung zuständig ist. „Die Kuben leuchten nun nur noch an Veranstaltungsabenden.“ Auch die Laufzeiten für einen Werbebildschirm im Foyer hat sie dem effektiven Publikumsbetrieb angepasst.
Aber es gibt auch viele Verbrauchsstellen, die nicht verzichtbar sind. Andrea Röst, Geschäftsführerin des Kino Roxy, stellt fest: „Bei der Technik bleibt kaum Spielraum. Was wir an Strom für die Vorstellungen brauchen, müssen wir beziehen.“
Sprich: Ohne Projektoren und Saalbeleuchtung kann ein Kino nicht arbeiten und obgleich weder Theater noch Kino ihre Stromverbraucher nach Verbrauch aufschlüsseln können, dürfte die Veranstaltungstechnik einen grossen Anteil ausmachen.
Die Schorle wird ein wenig wärmer und bleibt doch kalt genug
Büroverbrauch gibt es in beiden Häusern vergleichsweise wenig, wie das Beispiel des Theaterhaus Thurgau zeigt. „Hier gibt es nur 40 Stellenprozent für die gesamte Geschäftsstelle,“ sagt Leuenberger. „Da ist der Wechsel ins Homeoffice keine relevante Grösse, zumal wir aus praktischen Gründen ohnehin manchmal von dort arbeiten.“
Als grösserer Faktor im Spiel ist hingegen die Gastronomie. Sowohl das Roxy als auch das Theaterhaus bieten bei Vorstellungen einen Barbetrieb und der benötigt unter anderem jeweils mehrere Kühlschränke. „Die müssen kontinulierlich laufen, auch, wenn niemand im Haus ist,“ sagt Röst.
Doch auch hier lässt sich ein Beitrag leisten, stellt Lena Leuenberger fest: „Die können problemlos zwei Grad wärmer gestellt werden, das bringt sicher etwas.“ Das erledigt sie gleich während des Gesprächs und Experten zufolge macht dieser Schritt etwa 10 Prozent Ersparnis beim Kühlbetrieb aus.
Video: Energiekrise, Strom- und Heizkosten: Wie Bayerns Museen ums Überleben kämpfen
Energieeffizienz? Kein neues Thema
Was für Kino und Theater gilt, gilt auch im Museum, erklärt Cornelia Mechler, die Verwaltungsleiterin des Kunst- und Ittinger Museums: „In den Gebäuden der Anlage wird schon länger auf Energieeffizienz geschaut.“ Viele Bereiche der beiden Museen hier verfügen zum Beispiel über eine automatische Beleuchtung mit Bewegungsmeldern. Derzeit wird geprüft, ob und in welchen Räume ausgeweitet werden kann.
Das Licht ist, wie in Romanshorn und Weinfelden, in vielen Bereichen auf LED umgestellt und abgeschaltet wird so oft es geht. Die Möglichkeiten sind allerdings eingeschränkt: Die Ausstellungsräume leben von der gezielten Beleuchtung der Exponate.
Doch den Museen in der Kartause Ittingen spielt speziell in der energiekritischen Wintersaison eine Besonderheit in die Hände: „Dank der verkürzten Winteröffnungszeiten verbrauchen wir ohnehin weniger Strom,“ sagt Mechler. „Das ist schon länger so, da die Anlage in diesen Monaten weniger Gäste anzieht.“
Das grösste Sorgenkind: Die Heizung
Bei einer der wichtigsten Einflussgrössen auf den Energieverbrauch stehen die Kulturbetriebe höchst unterschiedlich da, nämlich bei Heizung und Bausubstanz: 2008, 1961, 1925 und 12. Jahrhundert – die Zahlenreihe illustriert die Baujahre vom Theaterhaus, dem Neu- und dem Altbau des Kinos Roxy sowie der Kartause Ittingen.
„Sobald es kalt wird, probieren wir bessere Heizungseinstellungen aus,“ sagt Lena Leuenberger. Mit nur 14 Jahren Alter hat das Theaterhaus Thurgau in Weinfelden eine gute Bausubstanz, was auch für die Haustechnik gilt.
Betagte Lüftungsheizung im Roxy
Andrea Röst steht im Roxy vor höheren Anforderungen: „Das Haus ist mit einer betagten Lüftungsheizung ausgerüstet, die schwer einzustellen ist. Da die Bausubstanz historisch ist, ist sie zudem nicht auf dem neuesten Stand der Isolierungstechnik.“ Wie viel Energie tatsächlich eingespart werden kann, können beide Häuser derzeit nicht einschätzen.
Just das älteste Haus steht am besten da – darf aber sicher nicht als Blaupause für andere Gebäude dieses Alters stehen. Die gesamte Heizenergie für die Kartause wird durch eine Holzschnitzelheizung erzeugt. „Wir profitieren davon, dass hinter dem Haus eine visionäre Stiftung steht, die vor mehreren Jahren nachhaltig investiert hat,“ erklärt Mechler.
Nur der Strom für den Betrieb der Heizung darf nicht ausgehen. Zwar hat die Kartause eine eigene Photovoltaikanlage, aber diese deckt nur etwa zehn Prozent des Gesamtbedarfs.
Im Mantel durch das Museum schlendern
Im Kino oder Theater möchte niemand während der Vorstellung frieren. Im Museum aber sind kühlere Temperaturen kein grosses Problem: „Die Räume des Ittinger Museums werden seit jeher wenig geheizt, damit der Heizenergieverbrauch so niedrig wie möglich ist,“ sagt Museumsdirektor Markus Landert. „Unsere Besuchenden mussten schon immer mit einem Mantel durch die Räume und die Kirche gehen.“ Die Heizung diene ohnehin weniger dem Wohlbefinden der Besuchenden als vielmehr der Verhinderung von Bauschäden.
Gedanken müsse man sich als Museum um etwas anderes machen: „Tiefe Temperaturen sind an sich nicht schädlich. Wir müssen aber auf Temperatursprünge und hohe Luftfeuchte achten.“ Müsste der Bund bei einer Mangellage tatsächlich Stufe 4 auslösen, also die stundenweise Netzabschaltung, wäre das für den Kulturgüterschutz eher problematisch. Vor allem für alte Exponate sind gleichmässige klimatische Bedingungen gefragt.
Lange Investitionszeiträume bremsen aus
Das Heizungsthema weist auf zwei Aspekte, die bei allen Sparappellen bislang kaum eine Rolle spielten: Das eine sind die Investitionszeiträume. «Natürlich fänden wir eine Solaranlage auf dem Dach toll», sagt Lena Leuenberger, «doch das ist Sache der Stadt Weinfelden, die das Theaterhaus zusammen mit vielen weiteren Immobilien besitzt. Zudem bräuchte dies einiges an Planung und Zeit und ist darum keine kurzfristige Lösung».
Spielt der Denkmalschutz eine Rolle, dauert es ebenfalls einiges länger, wie ein Beispiel aus der Kartause zeigt: Der Kassenraum dort ist ein Sonderfall und wird ergänzend noch mit Elektrospeicheröfen beheizt. Die Geräte sind dem Betrieb schon länger ein Dorn im Auge, aber aus baulichen Gründen gibt es auch nach mehreren Jahren noch keine Alternative. Die Potenziale sind also nicht ausgeschöpft. Nur darf man nicht mit schneller Abhilfe rechnen.
Der andere Aspekt sind die Immobilienbesitzer. Bei den Energiekosten, die üblicherweise der Mieter trägt, sind letztlich Investitionswille und mögliche Fördergelder ausschlaggebend, ob alte Haustechnik ausgetauscht wird. Im Fall der drei Kulturbetriebe in Weinfelden, Romanshorn und Ittingen sind die Immobilien im Besitz von Stadt oder Kanton (Theaterhaus, Kino und Kunstmuseum Thurgau) bzw. einer Stiftung (Ittinger Museum).
Aktive Immobilienbesitzer
Die Stadt Romanshorn kümmert sich seit einiger Zeit um die Evaluierung ihrer Immobilien. „Das fällt zufällig mit den Sparappellen zusammen, kommt uns nun aber zugute,“ sagt Markus Rieter, der sich um den Unterhalt der städtischen Liegenschaften kümmert.
„Rund fünfzehn durchmischte Objekte sind es, von der Jugendherberge über das Mehrzweckhaus bis zum Verwaltungsgebäude.“ Viele davon sind älter und so gehört die Heizung im Roxy zu den Dingen, die den Winter über besonders beobachtet werden.
„Einige Heizungsanlagen sind nur wenige Jahre alt und wurden zu einer Zeit projektiert, als die Gaspreise günstig waren,“ sagt Rieter. Die werden so schnell nicht weichen. „Aber bei älteren Objekten wie dem Roxy prüfen wir solche Investitionen gesamthaft,“ sagt Rieter. „Gebäude und Geräte müssen bei Sanierungen gut abgestimmt werden.“ Bis Entscheidungen zum Roxy fallen, werde es aber noch einige Monate dauern.
Video: Energiekrise - wie kommen wir durch den Winter?
Unterschiedliche Budgetplanungen
Bei steigenden Preisen für die Energieversorgung sind die drei Kulturbetriebe noch auf unterschiedlichen Pfaden unterwegs. Während das Roxy die Mehrausgaben noch nicht einschätzen kann, wurde das Budget beim Theaterhaus bereits angepasst. Und das nicht wenig, wie Lena Leuenberger sagt: „Für Energie, Wasser und Heizung waren bislang rund 13.000 Franken vorgesehen. Der Budgetposten wurde in Abstimmung mit der Stadt Weinfelden um 2.500 Franken erhöht.“
In diesem Betrag ist auch die Energie fürs Büro des Theater Bilitz enthalten, das von Weinfelden aus auf Tournee geht und in Schulen und Theater in der ganzen Deutschschweiz auftritt. Im Theaterhaus Thurgau finden pro Jahr rund 100 Vorstellungen statt.
Die beiden Museen in der Kartause Ittingen sehen noch keinen Handlungsbedarf: „Wir haben längerfristige Verträge für Energielieferungen,“ kommentiert Cornelia Mechler. „Derzeit sind keine Erhöhungen angekündigt.“
Ein Prozess ist angestossen
Die Umfrage zeigt, dass spontan keine allzu grossen Sprünge möglich sind. Aber möglich ist einiges, sobald genauer hingeschaut wird. Zumal die Gäste und Besuchenden sinnvolle Massnahmen mittragen, weiss Andrea Röst: „Die Anpassungen seien kein Grund, nicht ins Kino zu gehen, das wurde uns schon signalisiert.“
Das Risiko einer Energiemangellage hat offenbar einen Prozess angestossen, der schon länger nötig war, ist der Eindruck von Lena Leuenberger: „Es ist doch gut, dass man sich nun so detailliert Gedanken macht.“
Wie viel die einzelnen Massnahmen bringen, lässt sich allerdings erst mit den nächsten Abrechnungen zeigen, wenn die tatsächlich verbrauchten Kilowattstunden und Gasmengen auf dem Papier stehen.
Video: Klima- und Energiekrise - wie handeln wir richtig?
Wann spricht man von einer Energiemangellage?
In der Schweiz gilt als Mangellage, wenn das Angebot die Nachfrage nicht mehr decken kann und auch der Markt und die Preise keine regulierende Wirkung mehr haben. Es handelt sich um eine Extremsituation mit gravierenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen, die sich nicht vermeiden lassen und der die Wirtschaft nicht allein zu begegnen vermag. In dieser Situation kann der Bundesrat Interventionsmassnahmen zur Energieversorgung anordnen.
Nicht zu verwechseln sind Strommangellage und Stromunterbruch (bzw. Blackout). Blackouts sind unvorhersehbare Unterbrüche von einigen Minuten, Stunden oder Tagen, die meist aufgrund von Schäden an der Verteilinfrastruktur, Netzüberlastung oder technischen Störungen auftreten. Stromunterbrüche bewältigt die Strombranche für gewöhnlich selbstständig (Quelle: Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung).
Eine Bilanz von Mitte Oktober sieht es so aus: Im September wurden 2,3 Prozent mehr Energie verbraucht als im Durchschnitt der letzten sieben Jahre im selben Monat. Andererseits sank auf Ebene der Haushalte und Firmen der Stromverbrauch um 13 Prozent. In erster Linie besteht nach wie vor ein Gasproblem.
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