von Claudia Koch, 02.03.2020
Dein Freund, der Tod
Die Österreicher Robert Blöchl und Roland Penzinger widmen sich als Duo BlöZinger in ihrem aktuellen Programm «Bis morgen» dem Sterben. Und das ganz und gar nicht todernst.
«Bin ich tot?» Diese Frage stellt Franz, gespielt von Robert Blöchl, noch ein paar Mal an diesem Abend im Kulturforum Amriswil. Aber nein, der Tod sitzt wie jeden Tag neben dem griesgrämigen 82-Jährigen und hört sich interessiert die Traumschilderungen an, bei denen Franz kurz vor dem Ableben erwacht. Der Tod, gespielt von Roland Penzinger, möchte den lebensmüden Franz noch nicht mitnehmen.
Im Gegenteil: Der etwas weltfremde Sensemann geniesst die täglichen Besuche im Altersheim, spielt Karten oder Schach mit dem alten Griesgram und lernt dabei viel über das Leben. Franz aber hat das Leben, die Menschen, die ganze Welt satt. Auch die laktose-, gluten-, alkohol- und zuckerfreie Geburtstagstorte kann seine Stimmung nicht wesentlich heben.
Franz vergleicht das Altersheim mit einer Werkstatt für Oldtimer: Viele haben eine Schraube locker und verlieren das Kühlwasser. Und zu guter Letzt werden alle tiefer gelegt und von den Erben ausgeschlachtet. Der Tod kann nicht verstehen, warum Franz so aufs Sterben fixiert ist. «Ich habe meinen Spass dabei», sagt der Tod und verabschiedet sich «Bis morgen.»
Irgendwann hat auch der Tod mal Sorgen
Schon sitzt man mittendrin, im Interessenskonflikt. Der eine möchte die Welt verlassen, der andere ihn nicht gehen lassen. Der eine kommt von der Lebenslast schon ganz gebückt daher, der andere entdeckt unbekannte, faszinierende Facetten des Lebens und blüht richtiggehend auf.
Doch auch der Tod hat so seine Sorgen: Niemand kann ihn leiden und um sein Image steht es nicht zum Besten. Franz hingegen versucht, den Tod von seinem trost- und perspektivenlosen Leben zu überzeugen. Doch der Sensemann will Franz noch nicht mitnehmen.
Das Duo war Gewinner des Deutschen Kleinkunstpreis 2019
Inspiration für die skurrilen Figuren im Stück – wie der lebensmüde Franz, der tattrige Herr Huber, die sexhungrige Frau Gruber oder der ständig bekiffte Pfleger Mario – haben sich Blöchl und Penzinger wohl von ihren Spitalauftritten als CliniClowns geholt.
2001 lernten sie sich dabei in Linz kennen und standen 2004 erstmals zusammen auf der Bühne. Acht Programme haben sie seither erarbeitet und aufgeführt. Mit einem Minimum an Requisiten, diesmal sind es nur drei Stühle, schaffen es BlöZinger vor allem mit ihrer ausgefeilten Mimik und Gestik das Publikum in ihre Welt zu ziehen.
Ihr Können wurde 2013 und 2017 mit dem Österreichischen Kabarettpreis und letztes Jahr mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet. In den vergangenen 17 Jahren ist das Duo 20 Mal in der Schweiz aufgetreten. Blöchl erinnert sich gerne an einen Auftritt vor gut vier Jahren bei der «Krönung» in Aadorf.
Schon komisch, wie der Tod plötzlich lebendiger macht
Und wie ergeht es Franz und dem Tod inzwischen, die zusammen die Jahreszeiten jeder auf seine Art erleben? Während der Sommer angenehme Erinnerungen in Franz als ehemaligen Lehrer erweckt, leidet der Tod im Herbst an einer Depression. «Niemand fragt mich, wie es mir eigentlich geht», beklagt er sich.
Und nun liegt es an Franz ihm zu raten: «Bleib positiv». Denn Franz hat in diesem Jahr seine Lebensfreude wiederentdeckt, Japanisch gelernt und den Annäherungsversuchen Frau Grubers nachgegeben. Zu Letzterem hat ihm Pfleger Mario geraten, während er jeweils mit Franz in seiner Rauchpause zusammensitzt und mit ihm über die anderen Heimbewohner herzieht.
Franz’ Erkenntnis lautet: «Der Tod hat mich lebendiger gemacht». Als der Tod ihn jetzt mitnehmen will, schickt ihn Franz ganz erbost weg: «Kehr erst wieder zurück, wenn du mich holen kommst.» Nach einem weiteren, geschenkten Jahr ist es soweit. «Wie verabschiedet man sich vom Tod?», möchte Franz wissen. «Wie verabschiedet man sich von einem Freund?», hält der Tod entgegen.
Originelle Bühnenfiguren
So humorvoll und lustig das Stück ist, so tiefgründig und nachdenklich stimmend bleiben viele Aussagen im Kopf hängen. Dass der Tod ein Allerweltsgesicht hat und keine Unterschiede bei der Auswahl seiner Kunden macht. Oder dass es für ein Später aus Sicht der Betroffenen immer gute Gründe gibt.
In Erinnerung bleiben besonders die originellen Bühnenfiguren. Wenn Franz die Eltern nachahmt, die den Namen ihrer Kinder auf die Arme tätowiert haben, aber dennoch ein Durcheinander veranstalten. Wie Frau Gruber sich Franz in eindeutig zweideutiger Art zuwendet. Oder besonders köstlich: Wie der Tod und Franz sich zuletzt einen Joint gönnen, wobei der Tod - «Ich spüre nix» - laut prustend von seinen lustigsten Sterbefällen berichtet. Herrlich auch, wenn sich Penzinger verhaspelt und sich beide zusammen mit dem Publikum eine Lachrunde gönnen.
Von Claudia Koch
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