von Claudia Koch, 09.05.2019
Kleinkunst im Schuhkarton
Das Kulturforum Amriswil organisiert seit 18 Jahren ein abwechslungsreiches und frisches Programm in einem alten Backsteingebäude. Bei der Programmauswahl kommen oft weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler zum Zug.
Das Backsteingebäude aus vergangenen Jahren, welches das Kulturforum Amriswil beherbergt, liegt mitten im Zentrum der Stadt. Hier gibt es auch ein Bistro mit dem ungewöhnlichen Namen Cartonage. Eine Nachfrage gibt Aufklärung: Früher wurden hier Kartons produziert. Insbesondere Schuhkartons, da in Amriswil vom frühen 20. Jahrhundert bis in die 1970-er Jahre Schuhe produziert wurden. Heute werden die Räume nebst dem Bistro für eine öffentliche Biblio- und Ludothek und für einen Blumenladen genutzt. Und eben für das Kulturforum Amriswil. Kleinkunst in einem Schuhkarton, sozusagen. Wobei der zur Verfügung stehende Raum mit den rund 400 Steh- respektive 150 Sitzplätzen durchaus grosszügig ist.
Den Künstlern nahe sein
Doch was sind die zentrale Lage und die idealen Räumlichkeiten wert, ohne die Menschen, die mit viel Herzblut und persönlichem Engagement Leben auf die Bühne zaubern. Einer davon ist Donato Saragoni, Mitglied der zehnköpfigen Programmgruppe. „Ich habe früher selber Theater gespielt und häufig Aufführungen in Kleintheatern besucht. Kleinkunst ist meine Leidenschaft“, sagt Saragoni. Diese Momente, sich mit den Künstlerinnen und Künstlern auszutauschen und ihnen für eine kurze Zeit nah zu sein, bewegen ihn sehr. Sein Höhepunkt war die Begegnung mit dem verstorbenen Dimitri. Die übrigen Mitglieder aus der Programmgruppe haben aus seiner Sicht ähnliche Beweggründe für ihr Engagement. Einer ist Musiker, eine weitere spielt Theater. Saragoni spricht begeistert von einem gut funktionierenden Team, bei dem jedes Mitglied bestrebt ist, der Stadt ein abwechslungsreiches Programm zu bieten.
Von Beginn weg dabei ist Barbara Munz, die 2012 von der Programmgruppe in den neunköpfigen Vorstand gewechselt hat. Sie leitet die Administration und erhält als einzige, nebst dem Hauswart, eine kleine Entschädigung. Alle anderen Mitglieder engagieren sich ehrenamtlich. Die Mitglieder im Vorstand bringen ihre beruflichen Fähigkeiten und Beziehungen idealerweise auch im Kulturforum ein. Der Vorstand ist jedoch im Umbruch. „Das Präsidium soll neu besetzt werden“, sagt Munz. Wünschenswert wäre es, den Vorstand zu verjüngen. Fürs Präsidium braucht es jedoch jemanden, der eine gewisse Ahnung mit Kulturveranstaltungen oder der Programmauswahl mitbringt.
«Es gibt oft intensive Diskussionen.»
Donato Saragoni, Mitglied der Programmgruppe, über die Auswahl der Künstler
Apropos Programmauswahl. Diese kommt auf ganz unterschiedliche Weise zustande. „Manchmal hat jemand aus der Gruppe eine Künstlerin oder einen Künstler im Fernsehen gesehen“, sagt Saragoni. Auch melden sich Künstlerinnen und Künstler selber beim Kulturforum und werben für ihren Auftritt. Die wichtigste und ertragreichste Quelle ist die Künstlerbörse in Thun jeweils im April. Saragoni sagt: „Wir reisen mit einer bunt gemischten Gruppe von Programm- und Vorstandsmitgliedern samt Familienangehörigen dorthin.“ Jede Künstlerin, jeder Künstler zeigt 20 Minuten seines Programms. Manchmal wird ein Vertrag direkt vor Ort abgeschlossen. Es sei jedoch ratsam, sich zu Hause die verschiedenen Vorstellungen nochmals auf Video anzuschauen, sagt Saragoni. „Die Besucherinnen und Besucher wollen ja einen ganzen Abend unterhalten werden und nicht nur 20 Minuten“, ergänzt Munz.
Im Anschluss an die Künstlerbörse findet die erste Sitzung statt, um das Programm mit der einmal monatlich stattfindenden Veranstaltung für die nächsten zwei Jahre festzulegen. Was hat gefallen, was könnte beim Publikum gut ankommen? „Es gibt oft intensive Diskussionen, jede und jeder möchten seinen Favoriten platzieren“, sagt Saragoni. Einen roten Faden bei der Auswahl gibt es nicht: Comedy, musikalisches Kabarett oder Konzerte in einem kleineren Rahmen finden Einzug in das Programm. Das Bestreben Saragonis ist es, weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler zu entdecken und zu fördern.
Auch die Stadt Amriswil beteiligt sich
Finanziert wird das Programm einerseits durch die Mitgliederbeiträge. Andererseits können Künstlerinnen und Künstler wie auch private Nutzer den Raum für ihre Bedürfnisse mieten. Weitere finanzielle Unterstützung erhält das Kulturforum durch einen Stiftungsrat, dem seinerseits von der Stadt Amriswil ein Beitrag zugesprochen wird. „Wir schaffen es meistens, unser Programm ohne weiteren finanziellen Zustupf durchzubringen“, sagt Saragoni. Kann jedoch einmal ein bekannter Name fürs Kulturforum gebucht werden, hilft der Kulturpool Oberthurgau finanziell aus. Zum Bistro pflegt das Kulturforum übrigens eine kulinarisch vorteilhafte Beziehung: Die Betreiberin bietet vor jeder Veranstaltung des Kulturforums ein auf das Programm abgestimmtes Menü an.
Auf der Bühne
Das Programm des Kulturforums Amriswil bis zu den Sommerferien:
17. Mai: Birgit Süss, «Paradies. Und das», Comedy, 20.15 Uhr,
8. Juni: Unglau-Blech, Blechbläser, 20 Uhr
11. bis 15. Juni: Early Bird Morgenmusik, Bistro-Konzert; 7 Uhr
Weitere Informationen unter www.kulturforum-amriswil.ch
Von Claudia Koch
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