von Julia Christiane Hanauer, 10.12.2021
Flieg, wenn du kannst!
«P. Pan» heisst die von Regisseur Florian Rexer neu aufgelegte Fassung des Klassikers Peter Pan, die am 16. Dezember in Amriswil Premiere feiert. Mit seinem Stück möchte er ermutigen und inspirieren, denn hinter dem Horizont geht es weiter. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
Peter Pan, warum eigentlich? Bei dieser Frage lacht Regisseur Florian Rexer, hört er diese doch nicht zum ersten Mal. Bereits als er Kund tat, dass er sich dieses Stücks annehmen möchte, stellte seine Dramaturgin Thea Reifler sie. Seine spontane Antwort damals „Pan ist doch so schön“: Der Junge, der nie erwachsen wird, und in Nimmerland der Anführer der „verlorenen Kinder“ ist. Peter Pan, der unzählige Abenteuer erlebt und in dem Piraten Käpt‘n Hook seinen Widersacher gefunden hat. Die Geschichte, in der Träume wahr werden und Kinder fliegen lernen.
Als Rexer sich intensiv mit diesem Anfang des 20. Jahrhunderts von dem schottischen Schriftsteller Sir James Matthew Barrie geschriebenen Stück auseinandersetzte, war es dann aber doch nicht mehr so einfach. „Ich habe mich schwer getan mit der Fassung“, gibt er unumwunden zu. Peter Pan und die verlorenen Kinder erinnerten ihn an Streetgangs der heutigen Zeit.
Muss die Hauptfigur überhaupt ein Junge sein?
Diese Darstellung wollte er jedoch nicht verwenden, da dieses Thema abgedroschen sei, waren solche Stücke doch schon oft genug auf Theaterbühnen zu sehen. Und Peter Pan… Muss er eigentlich ein Junge sein? Nein, entschied Rexer für sein Stück. Er kenne auch ziemlich viele toughe Mädels. Pan könne also auch ein androgynes Wesen sein.
Und so kommt es, dass das Werk des Regisseurs P. Pan heisst. Schauspielerin Melanie Schütz hat die Hauptrolle inne.
P. Pan rückt Parallelen zur heutigen Gesellschaft in den Fokus
Florian Rexer betont: „Unser P. Pan ist kein Kindertheäterli. Wir machen Theater für Junggebliebene und Älterwerdende, für Erwachsene, Jugendliche und Kinder.“ In seiner Fassung hat er die Parallelen zur heutigen Gesellschaft in den Fokus gerückt. „Wir sind mitten im Pan.“
Gesellschaftliche Normen und Zwänge sind es, die er sowohl in Barries Werk als auch heute sieht. Die scheinbare Freiheit von Nimmerland sei doch auch ein Leben in Normen, die sich die verlorenen Kinder selbst auferlegt hätten. „Es ist dieses Korsett, dass wir in Frage stellen sollten“, meint Rexer.
„Du kannst fliegen, aber nur, wenn Du daran glaubst. Diesen wunderbaren Gedanken können wir nur in uns selbst erzeugen.“
Florian Rexer, Regisseur
Das Stück stehe für die eigenen Träume, an die man glauben müsse, damit sie real werden. „Du kannst fliegen, aber nur, wenn Du daran glaubst. Diesen wunderbaren Gedanken können wir nur in uns selbst erzeugen.“
In P. Pan erhält P. ausserdem einen Schatten, der lebt, der der Hauptfigur permanent folgt, der imitiert, der auch kämpft. „Das ist der Schlüssel, das Geheimnis.“ Diese Schattenseiten zeigten sich auch im realen Leben, beispielsweise im zunehmenden Egoismus der Gesellschaft. Aber „der dunkle Schatten kann überwunden werden“.
Kampfszenen stammen von renommiertem Fechtchoreografen
Wie bereits bei seinem letzten Stück „Oli Twist“ setzt der Regisseur bei P. Pan nicht nur auf vier Profischauspieler:innen, sondern die Kinderrollen werden von mehr als 20 Kindern und Jugendlichen aus dem gesamten Kanton gespielt. Und trotzdem: „Wir arbeiten wie in einem professionellen Haus“, sagt Rexer.
Das erfordert auch den jungen Akteuren, die zwischen zwölf und 18 Jahre sind und noch zur Schule gehen, einiges ab. Das weiss der Regisseur: „Es ist eine Herausforderung für sie.“ Die mehrstündigen Proben sowie Text lernen gehört ebenso dazu wie jede Menge Motivation. Letzteres war bereits beim Casting der insgesamt 50 Interessierten mit ausschlaggebend. „Sie müssen alles geben“, sagt der Regisseur.
Für die jungen Schauspieler:innen ist es eine Herausforderung
Dafür stehen ihnen auf und neben der Bühne mit dem gesamten Ensemble Profis zur Seite, die sie unterstützen. Schauspielerin Sophia Sommer beispielsweise kümmert sich ausschliesslich um das Coaching und die Betreuung der Kinder. Und mit Jean-Loup Fourure, einem international renommiertem Fechtchoreografen, studierten sie mit eigens für das Stück gefertigten Degen und Säbeln eine Kampfchoreografie ein.
„Dabei ist höchste Disziplin gefragt“, sagt Rexer. „Kämpfen ist gefährlich.“ Neben all dieser Ausbildung ist dem Regisseur eine Sache noch besonders wichtig: Kommunikation. Das gesamte Team habe dafür ein gutes Gespür.
Drei verschiedenen Räume in einem Bühnenbild
Eine Rolle bekommen hat in P. Pan übrigens auch wieder Programmleiter und Amriswiler Kulturbeauftragte Andreas Müller. „Eine kleine Piratenrolle“, sagt er. Bereits bei Oli Twist stand er auf der Bühne. „Offensichtlich mache ich es nicht so schlecht, wenn Florian mich wieder mitspielen lässt“, sagt er lachend und erzählt, dass das Bühnenbild eine Idee des Fechtchoreografen war.
Als „schlicht und einfach“ beschreibt er es. Es besteht aus einem drei Meter hohen, zweiteiligen Gerüst, das teilweise eingekleidet werde. Der Clou dabei ist: Es stellt drei verschiedene Räumlichkeiten dar. Einmal das Haus von Familie Darling, das Schlafzimmer und den Bug eines Schiffs. Bespielbar ist es auf zwei Ebenen. Und zudem noch mobil, denn die Proben finden in Weinfelden statt, die Premiere am 16. Dezember in Amriswil. Danach geht es nach Frauenfeld, Bottighofen und als letzte Station nochmals nach Weinfelden.
Termine und Tickets:
15. bis 30. Dezember: Kulturforum Amriswil
14. bis 16. Januar: Eisenwerk Frauenfeld
11. bis 13. Februar: Gemeindezentrum Bottighofen
17. bis 19. Februar: Traubensaal Weinfelden
Tickets unter www.p-pan.ch
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