von Anabel Roque Rodríguez, 17.06.2020
Die Natur als politscher Ort
Das Künstler-Duo Huber.Huber bricht in seinen Arbeiten mit der Natur als reinem Sehnsuchtsort. Sie zeigen, mit welchen Themen die Natur im 21. Jahrhundert zu kämpfen hat. In diesem Jahr erhalten sie einen der Förderbeiträge des Kanton Thurgau.
Im Augenblick kann man kaum eine Unterhaltung beginnen, ohne über die gegenwärtige Situation zu sprechen. Doch gerade bei den Zwillingsbrüdern Markus und Reto Huber, bei denen die künstlerische Arbeit sich stark mit dem Verhältnis von Mensch und Natur auseinandersetzt, kommt man um eine Nachfrage kaum herum und auch im gemeinsamen Gespräch wird die gegenwärtige Situation immer wieder zu einem Thema:
«In unseren Arbeiten spielt der Mensch und das Verhältnis zur Natur eine starke Rolle: Wie gehen wir mit ihr um? Wie erleben wir die Natur? Unser Verhältnis hat sich in der Geschichte immer wieder verändert. Zurzeit hat unser Verhältnis fast schon etwas Mythisches und gleichzeitig sind wir auf dem besten Weg die Natur ganz zu zerstören und das ist etwas was uns interessiert. Das Magische oder Mythische in unseren Werken, könnte man auch als Poetisch bezeichnen, es ist ein Spiel und geht auch um die Verklärung der Natur, wird es aber näher betrachtet kippt es ins nicht mehr so schöne. Man sieht dann eben, dass die Natur nicht das Paradies ist, sondern dort auch getötet wird.»
Mitte Januar 1975 erblickten die Gebrüder Huber in Münsterlingen im Bezirk Kreuzlingen das Licht der Welt. Seit 2005 macht das Duo Kunst.
«Zurzeit hat unser Verhältnis fast schon etwas Mythisches und gleichzeitig sind wir auf dem besten Weg die Natur ganz zu zerstören.»
Huber.Huber, Künstler-Duo
Die Installation «Hello darkness, my old friend», die Huber.Huber über ein Jahr bis Ende 2019 im Naturhistorischen Museum in Bern gezeigt haben, scheint dieser Tage wie eine düstere Prophezeiung auf das was dann in diesem Jahr folgte. Die Arbeit bezieht sich auf das Lied «The Sound of Silence» von Simon & Garfunkel mit den Zeilen «Hello darkness, my old friend / I’ve come to talk with you again».
Der Text handelt von der Gleichgültigkeit der Menschen, mangelnder Kommunikation und den Ängsten des modernen Menschen in der Zivilisation. Themen, die gerade erneut an Aktualität gewinnen.
In ihren Werken sprechen die beiden Künstler immer wieder an, dass sie das Spektrum zwischen Hoffnung und Scheitern interessiert. Die Werke der beiden umkreisen dabei Mythen, den Kosmos und gehen zurück zum Menschen. Wie sieht es also im Augenblick mit dem Verhältnis zur Welt aus? «Wir glauben persönlich, dass die Natur sich irgendwann mal ohne den Menschen wieder erholen kann, aus dem Grund sind wir dann schon hoffnungsfroh. Aber für uns Menschen, zumindest wenn wir unser Verhalten nicht ändern, sehen wir die Zukunft schwarz. Wir haben jetzt in der Krise gestaunt, wie schnell dann Dinge doch möglich waren, von denen man früher gesagt hat sie seien nicht möglich zum Beispiel das Streichen der Fluglinie Zürich-Paris.»
Wird nach Corona jetzt alles anders?
Ein Grund also hoffnungsfroh zu sein? Im Augenblick spricht man ja viel über die Neuordnung der Verhältnisse von Natur und Mensch, es erschienen Bilder von Delphinen in der Lagune von Venedig (die sich später als Falschmeldungen herausgestellt haben). Das Künstlerduo sieht diese Perspektive aber nüchterner: «Wir glauben leider, es wird ganz unreflektiert weitergehen und vielleicht leider ins Gegenteil ausschlagen, da die Wirtschaft jetzt so runtergefahren wurde, dass man dies jetzt zum Argument nimmt diese nicht noch zusätzlich mit Abgaben einzuschränken, sondern eher versucht möglichst schnell wieder auf 100 Prozent hochzufahren. Da sind wir nicht optimistisch und haben eher Angst, dass die Natur in Vergessenheit gerät und eher wieder ein Rückschritt ist.»
«Wir haben eine Haltung, aber unsere Kunst kann vielschichtig gelesen werden.»
Huber.Huber, Künstler-Duo
Inzwischen haben sich die beiden einen Namen innerhalb der Schweizer Kulturlandschaft gemacht und bemerken Veränderungen in ihrem Arbeiten und ihren Haltungen: «Die letzten 15 Jahre haben wir immer wieder in den Themenbereichen zwischen Hoffnung und Misserfolg gearbeitet. Was man auf jeden Fall sagen kann ist, dass wir mit der Zeit klarer politisch geworden sind. Unsere politische Haltung sieht man den Werken stärker an und wir äussern dies auch in unserer Kommunikation ausserhalb der Kunstwerke. Bei uns geht es häufig um Gerechtigkeit und da positionieren wir uns klar. Es ist uns aber auch wichtig zu unterscheiden, dass wir Kunst machen und keine Politik.
Die Kunst kann Position beziehen, hinterfragen ohne zu moralisieren, im Sinne von ‘das darf man, das darf man nicht’ Wir haben eine Haltung, aber unsere Kunst kann vielschichtig gelesen werden. Diese Interpretationsfreiheit ist uns wichtig, das Poetische Moment ist in der Kunst wichtig. Ausserdem ist uns Humor wichtig, wir finden Kunst soll etwas lustvolles sein und mögen es nicht, wenn man zu Kunstwerken erst einen 20 Seiten langen kunsthistorischen Text lesen muss, damit man dort einen Anhaltspunkt für das Kunstwerk bekommt. So funktioniert die Kunst nicht für uns.»
Ab November stellen sie im Kunsthaus Zofingen aus
Während wir alle versuchen mit der gegenwärtigen Situation umzugehen und uns an die neue «Normalität» zu gewöhnen, fragt man sich unweigerlich, ob Corona zu neuen künstlerischen Arbeiten führen wird. «Das Thema der Urangst in Form von Angst vor einem Meteoriteneinschlag, Angst vor einem Schiffbruch bei Sturm, sind immer wieder Themen in unseren Arbeiten. Unsere Arbeit ist immer halbbiographisch, da wir Themen behandeln, die uns persönlich beschäftigen und interessieren. Was uns in dieser Situation am meisten beeindruckt hat ist, wie sehr es die ganze Welt betrifft, da sind wir schon froh, dass wir in der Schweiz leben und wie wir hier mit der Situation umgehen. Aber es ist schon besorgniserregend, wenn man die Hamsterkäufe beobachtet und sieht wie egoistisch Menschen sind. Man fragt sich dann schon, was passiert, wenn es mal ganz schlimm kommt.»
Im Augenblick arbeiten die beiden an einer Einzelausstellung für das Kunsthaus Zofingen, die später in diesem Jahr hoffentlich auch eröffnen kann (die ursprüngliche Eröffnung wurde nun auf den 14. November verschoben). Thema der Ausstellung wird Wasser sein und die beiden versprechen: «Es wird eine ziemlich politische Ausstellung werden. Wir behandeln Fragen wie: Wem gehört das Wasser? Was passiert in Zukunft mit dem Trinkwasser?»
Der Wunsch nach kompromisslosem Arbeiten
Den Förderbeitrag wollen sie dafür nutzen um ihr fotografisches Archiv zu sichten und zu sehen, wie man es künstlerisch nutzen kann. Mit der Veröffentlichung ihres aktuellen Künstlerbuches «Widersprüchliche Bewegungsreize» ist ihnen aufgefallen wie zentral die Fotografie für ihr Arbeiten ist und wie umfangreich ihr fotografisches Archiv geworden ist. Für die Sichtung und Auswertung der über hunderttausend Bilder benötigen die beiden Zeit und Mittel und hoffen mit dem Archiv auch an die Öffentlichkeit gehen zu können.
In ihrem Ausblick für die Zukunft und was sie sich dabei am meisten Wünschen geht es den beiden Künstlern um eine gewisse Integrität und Unabhängigkeit beim Arbeiten. Die 25’000 Franken, die sie mit dem Förderbeitrag erhalten, sind eine Anerkennung für ihre künstlerische Leistung, aber auch eine finanzielle Erleichterung in einer schwierigen Zeit.
«Die wirklich fetten Jahre sind vorbei und die werden mit dieser Krise auch nicht mehr so schnell zurückkommen.»
Huber.Huber, Künstler-Duo
Finanzielle Stabilität sorgt natürlich dafür, dass Künstler sich dem widmen können was ihnen wichtig ist. «Kompromissloses Arbeiten, oft scheitert es daran, dass entweder der Raum, die finanziellen Mittel oder die Zeit nicht da ist. Privat schauen wir viel mehr aufs Geld als im Atelier, da kaufen wir manchmal Dinge für Installationen und hören dann: ‘Warum kauft ihr das, das ist doch so teuer?’, aber da wollen wir keine Kompromisse machen. Das Umfeld ist über die letzten Jahre viel schwieriger geworden, in den letzten 5 Jahren merkt man schon sehr, dass das Geld anders fliesst. Bei allen Künstlern und Galerien, die wir kennen gab es extreme Einbussen und die merken wir auch selbst. Die wirklich fetten Jahre sind vorbei und die werden mit dieser Krise auch nicht mehr so schnell zurückkommen.»
Die Förderbeiträge und die Serie
Die Auszeichnung: Der Kanton vergibt einmal jährlich persönliche Förderbeiträge an Kulturschaffende aus dem Thurgau, die mit einem überzeugenden Vorhaben in ihrer Karriere einen Schritt weitergehen möchten. Die Förderbeiträge sind mit je 25 000 Franken dotiert. Die Förderbeiträge wurden von einer Jury vergeben, die sich aus den Fachreferentinnen und -referenten des Kulturamts und externen Fachpersonen zusammensetzt. Auch in diesem Jahr sei die Anzahl und Qualität der eingegangenen Bewerbungen hoch gewesen, teilt das kantonale Kulturamt mit. Die Ausgezeichneten wurden von der Fachjury aus 51 Bewerbungen ausgewählt.
Die Gewinner 2020 auf einen Blick: Ausgezeichnet werden in diesem Jahr: Rahel Zoë Buschor, Tänzerin (Sulgen), Markus und Reto Huber, bildende Künstler (Zürich), Julia Langkau, Autorin (Bern), Rhona Mühlebach, bildende Künstlerin (Dettighofen), Max Petersen, Musiker (Winterthur) sowie Andri Stadler, bildender Künstler (Luzern).
Die Serie: In einer Porträtserie stellen wir alle GewinnerInnen der diesjährigen Förderbeiträge vor. Die Folgen erscheinen in loser Reihenfolge.
Teil 1 der Serie: «Literatur kann uns Hoffnung geben»: Interview mit der Autorin Julia Langkau
Teil 2 der Serie: «Spagat zwischen zwei Welten»: Porträt der Tänzerin Rahel Zoë Buschor
Teil 3 der Serie: «Der Grenzgänger»: Porträt des Musikers Max Petersen
Teil 4 der Serie: «Expedition in die Dunkelheit»: Porträt des Fotografen Andri Stadler
Teil 5 der Serie: «Die Natur als politischer Ort»: Porträt des Künstler-Duos Huber.Huber
Teil 6 der Serie: «Auf der Suche nach Wildnis»: Porträt der Videokünstlerin Rhona Mühlebach
Das Dossier: In unserem Themendossier zu den kantonalen Förderbeiträgen werden alle Episoden der Serie gebündelt. Dort finden sich auch Porträts zu früheren PreisträgerInnen.
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